Markus hat vor kurzem den Ortler vorgeschlagen. Am 30.8. hab ich ihn wegen dem Stubaier Höhenweg versetzt, am 31.8. war es dann angebracht, Ruhe zu geben und da das Wetter für heute noch bis in den späten Nachmittag stabil gemeldet war, sind wir um 5 Uhr von Kematen zusammen über den Reschen nach Sulden gefahren.
Kurz nach Sieben sind wir von der Kirche in Sulden mit ziemlich schwerem Gepäck zur Tabarettahütte und weiter zur Payerhütte. Weil ich gestern den ganzen Tag nur in mich hineingestopft hab (bis zum Bauchweh) um wieder die Reaktoren in den Zellen zu befüllen, ging es mir wieder gut und wir sind sehr flott vorangekommen. Nach der Payerhütte haben wir von Laufschuhen und kurzen Hosen auf Hochtourenausrüstung gewechselt. Auf ca. 3200m muss man schließlich auch die Steigeisen anziehen. Der Großteil der Seilschaften ist uns zu diesem Zeitpunkt schon wieder abwärts entgegen gekommen.
Momentan findet man nur zwei mal kurz Blankeis vor und so war es ein Spaziergang auf dem ausgetretenen Pfad zum Gipfel. Die Kletterstelle zwischen Lombardi-Biwak und Bärenloch ist problemlos mit Steigeisen zu machen und schön breit, dass es schwer zu Staus kommt. Leider war der Gipfel von Beginn an immer im Nebel (vom Stilfser Joch über Geisterspitze, Tuckettspitzen, Schneeglocke, Thurwieser Spitze – benannt nach Karl Thurwieser, dem Erstbesteiger unseres Fernerkogels – bis zum Ortlergipfel hat sich eine Föhnmauer ausgebildet) – so auch, als wir das Gletscherplateau erreicht haben. Nur zweimal hat man kurz auf den Gipfel hinaufgesehen, sonst hat er sich immer versteckt. Außerdem war es durch den Föhn ab etwa 3550m sehr windig. Oben waren uns nur kurze Blicke in die Umgebung vergönnt. Wir haben uns keine 15min aufgehalten – schade. Da es schon sehr nahe lag, dass der Föhn bald zusammenbrechen wird und die markante Kaltfront ihrem Namen gerecht wird, sind wir flott über den Gletscher mit wahnsinns Eindrücken zurück: Die Löcher, wo man drüber geht und bis in die Dunkelheit hinunterschaut, hinterlassen schon Eindruck. Vor allem, wenn man unsere „Baby-Gletscher“ gewohnt ist.
Bei der Kraxlstelle unter dem Lombardi Biwak ist Markus zuerst hinunter. Unten am steilen Blankeis angekommen, ist er nach einigen Sekunden im Stillstand – aber bereits als ich die Sicherung oben an der Eisenstange ausgehängt hab – ins Rutschen gekommen und nach vier Metern auf dem (sogar am Eis ausgetretenen) „Steig“ abrupt abgebremst worden. Dabei hat es seinen Knöchel erwischt. Als ich bei ihm unten war, mussten wir natürlich entscheiden, was wir jetzt machen. Der Hubschrauber könnte im unteren Teil vom Bärenloch sicher ansetzen und ihn mitnehmen. Auf mehrmaliges Nachfragen – auch nachdem wir weitergegangen sind – war der Schmerz aber auszuhalten und die Gelenksstabilität auch noch entsprechend vorhanden. Also haben wir eher auf Zerrung/Verstauchung getippt. Sind darum ganz gemütlich wieder über die Payerhütte nach Sulden, wo wir um 16 Uhr bei den ersten Regentropfen angekommen sind. Der Fuß war mittlerweile recht stark geschwollen aber bei 1500hm Abstieg nach dem Unfall, haben wir uns nicht wahnsinnig viel draus gemacht.
Am Reschenpass haben wir uns in eine vozügliche Pizzeria verirrt und sind dann bei strömendem Regen wieder gegen Heimat.
Markus ist am Abend noch in die Klinik: Zumindest zwei Bänder gerissen und jetzt mal einen Gips – hätte natürlich noch wesentlich schlimmer ausgehen können, weil sich ein kurzes Stück darunter endlos tiefe Spalten befunden haben, wo wir beide wahrscheinlich hineingerauscht wären, wenn er nicht zu Stillstand gekommen wäre, weil ich oben wenige Sekunden vorher schon den HMS ausgehängt hab. Wir wissen alle, dass sowas am Berg passieren kann und wir das Risiko in Kauf nehmen. Jedenfalls Glück gehabt.
Das Ortler-Gebiet ist der Wahnsinn: Die imposante Erscheinung des Hauptgipfels, dem höchsten Berg Tirols. Die Tatsache, dass es sich hier um eine „Kalkkögelverwandtschaft“ handelt (Dolomit sitzt am silikatischen Sockel auf, perfekt zu sehen unterhalb der Tabarettahütte – der Ortler ist nach dem Eiger der höchste „Sedimentgestein-Berg“ der Alpen) Der obere Vinschgau mit seinem sanften, weiten Talboden als trockenstes Gebiet der Alpen (Reschen durchschnittlich 660mm Jahresniederschlag auf 1500m, St.Sigmund 1000mm Jahresniederschlag auf 1500m). Der Reschensee (als Fotomotiv bekannt mit dem herausragenden Kirchturm). Die Besteigung ist aber um einiges schwieriger als unsere klassischen „Hohen“ wie Glockner, Wildspitze, Weißkugel. Vor allem, weil der Kalkstein zwischen Payerhütte und Gletscher durch die Menschenmassen verdammt abgespeckt ist und man doch immer wieder ein bisschen Klettern muss.
Mehr Bilder und Bericht bei Markus.
Ein Video vom 1. Juli 2015 wo ein italienischer Bergläufer in 2h 36′ von Sulden auf den Gipfel und zurück ist. Einfach nur unvorstellbar.
Was in den letzten drei Tagen am anstrengendsten war? Die (Fr)Esserei am Montag (Ruhetag zwischen Höhenweg und Ortler)! ;-)
oft denk i drun !! :-*
unvergesslich :-*