(Warnung: Die Reiseberichte sind relativ lang und eher weniger für den flüchtigen Internetleser geeignet. Wen’s interessiert, sollte sich dafür Zeit bei einem Bildschirm größer als der eines Handys nehmen.)
Für besseres Verständnis empfehle ich, die Einführung zu lesen.
24. August bis 29. August 2016
Nach einem komplikationslosen Reise (Auto: St. Sigmund – Innsbruck, Bus: Innsbruck – Mailand , U-Bahn & Zug: Mailand – Mailand Flughafen, Flugzeug: Mailand – Sao Paulo – Buenos Aires – Bariloche, Auto: Bariloche Flughafen – Bariloche Stadt) komme ich nach 38 Stunden schwerbeladen in Bariloche an, mein Begleiter Florian ist schon seit ein paar Tagen hier.
Bariloche (bedeutet: „Menschen hinter dem Berg“ – wie mir am Tag meiner Abreise eine einheimische Englisch Lehrerin an der Bushaltestelle erklärt) ist eine hundertprozentige Touristenstadt in der Größe von Innsbruck, im Zentrum geht es internationaler zu als in den meisten Zentren der mitteleuropäischen Städte: Skienthusiasten aus der ganzen Welt geben sich in den zahlreichen Hostels die Türklinke mit vornehmlich jungen Weltreisenden und Aussteigern aus allen denkbaren Nationen in die Hand. Es ist das Chamonix der Anden. Bariloche liegt am Südostufer des über 500 Quadratkilometer großen Nahuel Huapi-Sees (aus der Sprache der indigenen Bevölkerung für „Insel des Jaguars“). Die Straßen sind gesäumt von Jugendgruppen aus Buenos Aires, die hier in einheitlichen Jacken ihren Schulabschluss (?) feiern sowie von massenweise streunenden, aber „lieben“ Hunden (typisch für ganz Südamerika: man lässt sie einfach laufen): Nach einigen Tagen bin ich zur Erkenntnis gekommen, dass es bei den Hunden hier gleich ist wie bei uns Menschen: Lässt man sie frei ihre Wege gehen, entwicklen sie meistens eine ruhige, umgängliche, freundliche Lebensart – sperrt man sie hingegen ein, werden sie häufiger zu den klassisch, kläffenden, zwickenden Kötern. Die Stadt besteht wie viele andere in Argentinien aus einem Netzwerk aus Einbahnen, in dem man sich als europäischer Autofahrer erst einmal zurecht finden muss, was sich bei mir später allerdings mit dem Leihauto nach zwei Tagen Gewöhnung als recht problemlos herausgestellt hat. Die Kreuzungen sind meist ungeregelt – eine Rechtsregel gilt nicht, dennoch scheinen einige Straßen Vorrang zu haben, vornehmlich die stärker befahrenen – der Verkehr läuft gemütlich, ohne Stress ab, ganz nach der argentinischen Lebensweise: es gibt kein Drängeln und keine Raser (dazu trägt wohl auch der miserable Straßenzustand bei), dafür auch keine Fußgängerampeln oder Zebrastreifen, kaum Schilder oder Beschränkungen und angeschrieben ist praktisch nichts. Die „neueren“ Autos sind meist kleine Chevys oder Fiat, man sieht auch viele neue Toyota Hilux und VW Amarok – der Rest sind uralte, verrostete Pickups und Oldtimer aus den 60ern, 70ern und 80ern die halt noch irgendwie fahren. Kommt man etwas aus dem Zentrum raus, sind die Längsstraßen noch asphaltiert, die Querstraßen bestehen nur mehr aus Schotter und Staub. Müll begleitet einen auf Schritt und Tritt. Der Sprit kostet bei dem momentanen Euro – arg. Pesos – Kurs (1:17) in etwa ein Viertel weniger als bei uns. Am südlichen Stadtrand schließen sich die winzigen Bretterbuden der ärmeren Bevölkerung an, ich würde diese Vororte schon als Slums bezeichnen.
Am nächsten Tag machen wir uns mit Lea und Lorenzo auf zum Skigebiet etwas außerhalb der Stadt und nehmen den Anstieg zur Refugio Frey in Angriff. Die Hütte liegt auf 1750m und ist eine der ganz wenigen in Argentinien, die auch im Winter bewirtschaftet werden. Wobei es – außer um die Stadt Bariloche – sowieso kaum Hütten gibt. Sie ist ein winziger, quadratischer Steinbau (vielleicht 35 Quadratmeter Grundfläche), im oberen Stockwerk befindet sich ein Lager (Schlafsack selbst mitzubringen), im unteren eine Wohnküche mit drei Tischen samt Bänken. Im Winter haben immer ein oder zwei Club Andino Mitglieder aus Bariloche ein paar Tage Dienst und versorgen die Gäste mit den allesamt heraufgetragenen Lebensmitteln. Die meisten hier kommen aus der ganzen Welt zum Skifahren – daneben gibt es noch einige Urlauber, die den mehrstündigen, eisig ausgetretenen Steig mit Turnpatschen und Jeans in Angriff nehmen – weil man hier mal oben gewesen sein muss, Schnee ist schließlich was besonderes für die Argentinier.
Während unseres dreitägigen Aufenthaltes hat auch Eric Hoji – einer der international bekanntesten professionellen Freerider – und Aaron Rice die Hüttenabende mit uns verbracht. Aaron haben wir an unserem ersten Tag getroffen, als er hinter der Hütte nochmal für einen weiteren Aufstieg aufgefellt hat. Sofort konnte man erkennen: der Mann hat Ahnung von unserem Sport – allein von dem, wie er die Ski und die Felle in die Hand nimmt. Schlussendlich hat sich auf der Hütte herausgestellt, dass Aaron im Jahr 2016 2,5 Millionen Fuß mit Ski aufsteigen will – das entspricht 762.000 Höhenmetern bzw. 2.090 Höhenmetern an jedem Tag des Jahres! Der aktuelle Rekord liegt ja bei, dem in der Szene wohlbekannten, Greg Hill bei knapp über 2 Millionen Fuß. Dafür ist Aaron nach dem Ende des Winters in Nordamerika in die Anden und möchte dort noch bis in den November bleiben. Nach einem Gespräch an unserem letzten Abend, als ich erzählt hab, dass ich auch einen ähnlichen – wenn auch vielleicht bei weitem nicht so ausgeprägten – Schaden mein eigen nenne und, dass ich schon einige höhenmeterreiche Saisonen hinter mir habe, hat Aaron nur im lustig-netten Ton gemeint, dass das „cheating“ sei mit meinen schmalen, leichten Skiern und den Travers-boots. Er verwendet meistens relativ schwere, ca. 100mm breite Ski und einen Freeride-Tourenstiefel. Der Wahnsinn, die Leistung dieses jungen Amerikaners aus Utah! Mehr über sein Projekt hier – er liegt immer noch im Zeitplan.
Ja – die Frey (Aussprache wie im Englischen!) ist halt wie die Monte Rosa Hütte oder die Refuge du Goûter der Anden: Hier trifft sich alles, was in der Szene Rang und Namen hat um dem Nordhalbkugelsommer zu entfliehen. Die Hütte liegt an einem kleinen, im Winter zugefrorenen See am Beginn eines winzigen Talkessels, wo man mehrere, sehr kurze Rinnen fahren kann. Die Tourenmöglichkeiten sind stark eingeschränkt und eher einseitig für mein Empfinden – man kann zwar gut zwischen den Expositionen schwanken, aber der große Hammer ist das Gebiet für mich bezüglich Skitouren nicht. Man kann auch einige Runden in die Nachbartäler drehen, aber man landet dort zwangsläufig meistens irgendwo in den verdammt lästigen Gstauden oder im Urwald. Dafür gibt der Kessel landschaftlich viel her mit seinen gewaltigen Granittürmen rund um den höchsten davon, dem Cerro Principal (2400m). Im Sommer ein Kletterparadies mit über 400 gut beschriebenen und eingebohrten Routen!
coole Skitouren!
Ich war letzten August selbst in Argentinien und auch in Cerro Catedral Skifahren, aber nur alpin!
Im Gelände muss man sich doch mit Lawinen und Routen auskennen.
Ich fahren aber nächsten August auch wieder hin. Gibt es immer geführte Touren?
interessant, freu mich schon auf weitere Berichte! lg thomas