(Warnung: Die Reiseberichte sind relativ lang und eher weniger für den flüchtigen Internetleser geeignet. Wen’s interessiert, sollte sich dafür Zeit bei einem Bildschirm größer als der eines Handys nehmen.
Für besseres Verständnis empfehle ich, die Einführung zu lesen.
23. September bis 27. September 2016
Nach unserer Rückkehr vom Aconcagua gehen wir nach über zwei Wochen Selbstversorgung in ein All You Can Eat Restaurant in Mendoza:
Nachdem wir nur mit spartanischen Kochkünsten ausgestattet sind und wir in Las Cuevas auch nicht die Unmengen wie üblich essen konnten (Wir essen beide wohl mindestens das doppelte als jeder normale Mensch – egal ob wir eine anstrengende Tour hinter uns haben oder nicht), stellt sich das Allyoucaneat als schlechte Wahl dar: Wir haben nach unserer Fressorgie so Bauchweh, dass wir kaum mehr zum Hostel zurückkommen und die halbe Nacht nicht schlafen können. Am nächsten Tag geht es wieder mit einer 18-stündigen Busfahrt zurück nach Bariloche.
In Bariloche planen wir unseren letzten Streich, leihen uns ein Auto und starten auf folgende Route:
Unser erstes Ziel ist somit der
Lanín, 3747m
an der Grenze zu Chile.
Am Ausgangspunkt kurz vor dem Grenzübergang zu Chile gibt es eine scharfe Ausrüstungskontrolle eines Rangers. Uns fehlt vom geforderten Material ein Helm und ein VHF-Funkgerät. Außerdem seien die leicht ausgefransten Bänder unserer Steigeisen nicht mehr ok für eine Besteigung. Meine Whippet-Stöcke mit den Hauen dagegen lässt er problemlos als Pickel durchgehen. Erst nach einigem Verhandeln und indem wir uns als Bergführer ausgeben bzw. sonst alles „vorbildlich“ dabei haben und statt dem VHF zwei Walkie Talkies, lässt er uns gehen. Aber wir müssen ein Funkgerät unten lassen und uns melden sobald wir abends auf der Biwakschachtel sind, am nächsten Tag am Gipfel und wieder zurück bei der Biwakschachtel.
Wir steigen bis zur oberen der zwei Biwakschachteln auf, in der unteren sind schon einige Franzosen untergebracht. Wie vermutet gehen die billigen Funker nicht so weit und wir bekommen keinen Kontakt zur Rangerstation am Abend.
Am nächsten Tag haben wir wieder mal top Verhältnisse mit null Wind und relativ gutem Schnee. Ich kann sogar mit Fellen bis zum Gipfel aufsteigen, was an den Vulkanen nicht selbstverständlich ist.
Bei unserer Rückkehr wartet die Chefin des Rangers von gestern voller Sorge auf uns, weil wir uns nicht über das Funkgerät gemeldet haben. Sie kann sehr gut Englisch und erklärt uns, dass ihr Kollege jetzt Probleme bekommen wird, weil er uns mit mangelnder Ausrüstung auf den Berg gehen ließ.
Wir packen zusammen und fahren an den Grenzübergang. Nach Chile darf man nur bestimmte Lebensmittel einführen und die Grenzkontrollen sind recht scharf. Wir erledigen den Papierkram und fahren mit dem Auto vor um uns Durchsuchen zu lassen – so wie jeder andere auch. Als wir die Kofferraumtür aufmachen, kommt uns und der Beamtin eine derart scharfe Wolke von unserer im Auto ausgebreiteten Bergkleidung entgegen, dass sie nur kurz einen Blick hineinwirft und meint: „It’s okay, chicos.“ und uns weiterfahren lässt. Mit neidigen Blicken von den anderen Reisenden steigen wir ein und verlassen auf unserer Reise zum ersten mal Argentinien. Wir merken erst jetzt – nach der halben Stunde Anstehen am Grenzamt – wie abartig es in unserer Susi stinkt.
Unser nächstes Ziel ist der
Villarrica, 2840m
(sprich: Vischarrrrrika) – ein aktiver Vulkan mit perfektem Skigelände und einem Skigebiet an dessen Fuß. Zuvor erreichen wir die Stadt Pucón. Wir bewundern den Nationalstolz der Chilenen – vor praktisch jedem Haus weht eine chilenische Fahne – und ihre Straßenbaukultur im Gegensatz zu Argentinien: Hier sind Straßen versichert, anständig asphaltiert und vor allem die Kreuzungen oft angeschrieben. Das Land wirkt wesentlich zivilisierter, in den Supermärkten gibt es viel mehr internationale Produkte, das Preisniveau ist niedriger. Leider bekommt man aber auch hier kaum süßstofffreie Fruchtsäfte – alles ist verseucht vom Süßstoff – oft mit Xanthan, von dem ich Kopfschmerzen bekomme. Lustigerweise gibt es hier noch massenweise „Mogelpackungen“ – also Verpackungen die für den Inhalt viel zu groß dimensioniert sind. Wir fühlen uns hier viel mehr wie zu Hause als im vermüllten Argentinien. Wir holen an der Bank 200.000 chilenische Pesos, kaufen Lebensmittel und fahren zum Skigebiet. Dort gibt es wohlschmeckende Gnocchi mit Tomatensauce. Wir schlafen neben dem Auto am Parkplatz.
Die Nullgradgrenze befindet sich auf 3000m – trotzdem ist der Schnee am Morgen auf der Piste auf 1300m gefroren. Abseits der Piste ab etwa 1800m – das gäb’s bei der Lufttemperatur zu Hause nicht. Wir steigen auf gleichmäßig geneigten Hängen wieder mit Ski bis zum Gipfel auf. Wir können in den Krater schauen, sehen aber wegen des starken Rauchs leider nicht bis zur Lava. Beide bekommen ein Maul von den Schwefeldämpfen und man glaubt dabei, man erstickt dran. Ein sehr lässiges Erlebnis, so einen Vulkan mit Ski zu besteigen – der sogar erst letztes Jahr ausgebrochen ist. Da wir viel zu früh dran sind, ist der hier ausnahmsweise mal glatte und wenig strukturierte Harschdeckel leider noch kaum aufgefirnt. Es kommen einige Leute nach – laut dem französischen Führer ist der Villarrica einer der meistbestiegenen Berge dieses Gebietes. Sie bewundern unseren Skistil – vor allem die Wedlerei von mir. Alle haben einen Helm auf, aber keine Ski mit – beides klassisch südamerikanische Bergsteigerscheinungen. Dafür hat der ein oder andere ein Rutschblattl am Rucksack hängen – Rutschblattlrutschen ist hier fast so populär wie Skifahren in Österreich und dient den meisten als Abstiegshilfe beim Bergsteigen im Winter. Um 11:30 sind wir wieder beim Auto und fahren weiter in den Norden – genauer gesagt über die Stadt Temuco zum Skigebiet Araucaria und zu unserem nächsten Vulkan.
Wir verfahren uns bei Temuco, weil wir weder eine Straßenkarte noch ein Navi haben und können auch keine Karte auftreiben. Irgendwann sind wir doch beim Skigebiet Araucaria – dem Augsangspunkt zum
Llaima, 3125m
sprich: Schaima, ein weiterer aktiver Vulkan
Wir kochen wieder mal Tortellini mit Tomatensauce und schlafen am Parkplatz neben dem Auto.
Am nächsten Tag hat das Skigebiet zum ersten mal geschlossen und wir bewegen uns allein Richtung Gipfel. Der Schnee ist wieder durchgefroren, nur dieses mal können wir die letzten 400hm aufgrund der Schneestruktur nur mehr mit Steigeisen aufsteigen. Die Abfahrt ist wieder relativ hart, weil wir zwei altmodischen Alpenskitourengeher wieder mal zu früh aufgestanden sind. Oberhalb von 2600m gibt es massenweise Löcher und Spalten im Schnee, aus denen es herausdampft. Der offene Boden am Gipfel ist angenehm warm.
Wir jausnen wieder beim Auto und bewegen unseren und Susis Arsch auf der Panamericana weiter Richtung Süden. Auf dieser Autobahn (etwa gleich dimensioniert wie die Inntalautobahn) gibt es Bushaltestellen, Radfahrer, Traktoren und das ein oder andere Ochsengespann am Pannenstreifen. Nach mehrstündiger Autofahrt erreichen wir Osorno, fahren ab hier wieder nach Osten und schlagen unser Lager nach der Stadt Puyehue (sprich: Püschue) bei den heißen Quellen auf.
Eigentlich wollten wir noch den Vulkan Osorno (gelb auf der Karte) als Abschluss unserer Südamerika Reise besteigen. Doch in der Nacht trübt es ein und beginnt zu regnen, wir müssen doch hudldiwudl das Zelt aufstellen und der folgende 27. September ist der einzige Tag unseres mehrwöchigen Ausfluges, an dem wir aufgrund des Wetters keine Tour unternehmen können. Das stört uns beide aber nicht: So viel wie wir aus den vergangenen fünf Wochen herausholen konnten, hat wohl noch niemand geschafft. Mit Freude über unsere Touren und ich persönlich mit noch mehr Vorfreude, bald wieder daheim zu sein, fahren wir zurück nach Bariloche. In Argentinien schmunzeln wir mal wieder über deren Genauigkeit: Zuerst ist Bariloche mit 121km angeschrieben, etwa 20 Kilometer später kommt eine neue Tafel mit „Bariloche – 125km“ – naja, mittlerweile sind wir die Verhältnisse dort gewohnt :-)
Wir haben noch einen Reservetag, an dem wir einen Vorort von Bariloche besuchen und uns die Lebensbedingungen der Bevölkerung dort anschauen:
Am ersten Oktober erreiche ich endlich wieder heimischen Boden – nach einer fast 49-stündigen Reise. Ich habe zuerst Probleme, flüssig Deutsch zu sprechen und freue mich um so mehr auf Schnitzel und Salat daheim – dort ist es am schönsten! Vor allem das Essen und das Wasser!
In meinem Reisetagebuch bei der letzten Fahrt von Mailand nach Innsbruck festgehalten:
„Heute greift die massive Kaltfront auf die Alpen über, die die wochenlange Schönwetterphase – beginnend am 24.8., dem Tag meiner Abreise – beendet. Zufall? Nein, den gibt es nicht.“
Die Schneequalität auf den Vulkanen kann sich übrigens oft so präsentieren: