Rehwildbergung im Sellraintal durch hundertjähriges Neuschnee-Ereignis & ein Appell an alle Wintersportler Des Jägers Herz für seine Tiere

Rehwildbergung im Sellraintal durch hundertjähriges Neuschnee-Ereignis & ein Appell an alle Wintersportler Des Jägers Herz für seine Tiere

Lesezeit: 8 min

Eine Rehwildbergung wurde im Sellraintal durch ein „hundertjähriges Neuschnee-Ereignis“ notwendig. Im Bereich der Zirmbachalm konnten nach den extremen Neuschneemengen von Anfang Dezember sechs Rehe in einer mehrstündigen Bergeaktion aus den meterhohen Schneemassen gerettet werden.

Die Neuschneemassen in St. Sigmund im Sellrain von Freitagabend bis Sonntagfrüh! (04.12. – 06.12.)

Frau Holle im Ausnahmezustand

Zwischen Freitag dem 4. Dezember und Sonntag dem 6. Dezember gab es nicht nur in den Südstaulagen Osttirols rekordverdächtige Neuschneemengen. Auch im Sellraintal schneite es unaufhörlich — innerhalb von 36 Stunden fielen 125cm Neuschnee vom Himmel. Zuletzt gab es im Sellraintal derart viel Neuschnee in einem so kurzen Zeitraum im Jahre 1910!

Es schneite ununterbrochen mit einer teils gewitterregenartigen Intensität.

Die Wildlebensräume nach Jahreszeiten

Im Winter sind die Rehe des Sellraintales bei einer Schneedecke nur mehr unter der Waldgrenze anzutreffen während sie im Sommer aber auch in schneearmen Herbst- oder Frühwintermonaten bis nach Kühtai vordringen. So geschehen auch in diesem Winter: Bis zum 04.12. lag kaum Schnee bis Kühtai. Die Tiere waren noch unterhalb des Passes im Bereich der Zirmbachalm auf 1800m unterwegs als sie von einer unglaublichen Schneefallintensität überrascht wurden. Innerhalb von 12 Stunden schneite es 80cm und in den darauffolgenden 24 Stunden noch einmal 45 drauf.

Eingeschneit

Mehr als genug für die kleinen Wiederkäuer, um im tiefen, lockeren Neuschnee festzustecken und in der weißen Hölle gefangen zu bleiben. Als am Montagabend die ersten Jäger des Gebietes Zirmbachalm nach dem Freifräsen der Straße wieder den Jagdschutz aufnehmen konnten, wurden die Rehe gesichtet und die Kollegen der angrenzenden Jagd St. Sigmund informiert.

Anton Steuxner, Jagdpächter des Reviers Zirmbachalm, schildert die Situation: „Die Rehe konnten weder vor noch zurück. Manche waren durch den Kampf mit den Schneemassen derart erschöpft, dass sie kaum ein Lebenszeichen mehr zeigten.“

In ein paar Gängen suchten die Rehe zwei Tage lang erfolglos nach einem Ausweg aus der Schneehölle.

Die Bergung der Tiere

Die St. Sigmunder Jägerschaft rückte am Dienstagmorgen, 08.12., mit Tourenski aus, um insgesamt sechs Geißen, Böcke und Kitze lebend zu bergen.

„Bei den Schneemassen war die Rettung der sechs Tiere im Grunde eine leichte Aufgabe.“, sind sich die beiden „Reh-Bergretter“ Clemens Ruetz, Jagdaufseher des Reviers St. Sigmund und sein Bruder Lukas einig. „Die Tiere kamen kaum voran und einige schienen auf ihre Rettung förmlich gewartet zu haben. Nur die Spurarbeit mit den Tourenski durch den metertiefen Neuschnee stellte eine konditionelle Herausforderung dar. Mit vereinten Kräften aller Beteiligten konnten wir sie zur eineinhalb Kilometer entfernten und 300 Höhenmeter tiefer gelegenen Wildfütterung bringen – wo der Schnee tags zuvor mit einer Helfertruppe niedergetreten wurde.“

Dieses Kitz war derart erschöpft, dass es nicht mehr gehen konnte.

Dem sicheren Tod geweiht

Jagdpächter Anton Steuxner mit einem der geretteten Böcke. Foto: Jakob Pattis

Ruetz findet auch klare Worte zum Schicksal der Tiere ohne die Hilfeleistung: „Für die Rehe hätte die Gefangenschaft im weißen Verlies den sicheren Tod bedeutet. Unsere Aufgabe als Jäger ist nicht nur die behördlich angeordnete Reduktion und die Erhaltung des Wildbestandes im Sinne einer ökologischen Ausgewogenheit, sondern vor allem auch die Hege des Wildes. Die Jagd ist ein essentieller Teil unserer Gesellschaft und Kulturlandschaft – verantwortlich für die Versorgung von Wildtieren die durch die extrem dichte Besiedelung des Alpenraumes nicht mehr in ihre ursprünglichen Winterlebensräume in den früheren Auenlandschaften der tiefen Täler abwandern können. Die Alpen sind in den Tälern teilweise so dicht besiedelt wie die großen Ballungszentren Europas.“

Dringender Appell

Der passionierte Tierfreund richtet auch einen dringenden Appell an alle Wintersportler und Naturliebhaber: „Die derzeit großen Schneemengen in Teilen Tirols bedeuten eine prekäre Lage für unsere Wildtiere! Ruhe ist jetzt das Um und Auf. Bitte nehmt Abstand von Wildfährten im Schnee und beachtet lokale Wildruhezonen. Fütterungsgebiete sollen unbedingt großräumig umgangen werden.“

Wer auf Wild trifft, soll am besten ruhig stehen bleiben und abwarten – keinesfalls die Tiere verfolgen. Wildbergungen sind Profis mit Vorwissen über das Verhalten der Tiere vorbehalten. Sollte jemand ein Wildtier in einer echten Notlage entdecken, meldet man das am besten im nächsten Gemeindeamt oder bei der zuständigen Polizeidienststelle. Von dort aus wird das Jagdschutzpersonal informiert.

Happy End

Die bezirks- und revierübergreifende Aktion wurde übrigens auch von nachhaltigem Erfolg gekrönt: Inzwischen konnten die Tiere regelmäßig und wohlauf wieder im Nahbereich der Fütterung gesichtet werden. „Im nächsten Frühling werden sie sicher wieder in ihren Sommer- und Herbstlebensraum bei der Zirmbachalm zurückkehren können. Dann hoffentlich ohne einen Wintereinbruch diesen Ausmaßes.“, resümiert der gesamte Wildrettungs-Trupp.

Hier gehts zum Projekt „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ mit vielen Informationen zu naturverträglichen Skitouren im Sellraintal

Hier eine Karte zu allen Wildruhezonen im Sellraintal im Tiris

 

Jagdaufseher Clemens Ruetz bei der Bergung eines Rehbocks. Foto: Jakob Pattis
Eines der sechs eingeschlossenen Rehe ist an der Straße angekommen. Foto: Jakob Pattis
Große Freude bei jedem der sechs geretteten Tiere bei Jung und Alt. Den Tieren wurden nur mit einem T-Shirt die Augen verbunden damit sie ruhig genug für den Transport bleiben.

 

52 Gedanken zu “Rehwildbergung im Sellraintal durch hundertjähriges Neuschnee-Ereignis & ein Appell an alle Wintersportler Des Jägers Herz für seine Tiere

  1. Gratuliere für den Einsatz . Bei uns im Kleinwalsertal hat ein Grundstückseigentümer dem Jäger die Hilfe für einen Hirschen untersagt.
    Und ein anderer Jäger ist scharf drauf das letzte Wild zu erlegen wegen dem Wald .
    Es lebe der Ländle Wald so dicht …. kommt kein Regentropfen auf den Boden.
    Sepp Duffner

  2. Bei uns im Allgäu kommt ja kein Baum auf der nicht geschützt ist. Da wär`s jedem Förster lieber die Rehe werden Wolfsfutter statt der Wald Rehfutter.
    Aber der Bergwald wird ja schnell mal überbewrtet.

  3. Ehre wem Ehre gebührt!
    Eure Leistung und Eure Taten sind bestes Bild eines wahren Jäger Herzens! Ihr ehrt uns alle und seid uns gleichzeitig bestes Beispiel… Das Herz des Jägers für Natur und Tier widerspiegelt sich in seinem Umgang und in seinem Verhalten.
    Ich danke Euch allen… Hochachtung und ein kräftiges WMH vom Bodensee…

  4. Toll. Spitze. Super Leistung. Auch wenn es glimpfig ausgekommen hätte, vielen Dank für euer Einsatz. Auch danke dass ihr habt es veröffenlicht, dass wir diese tolle Geschichte lesen können. Ihr seid helden!

  5. Super Aktion, habt ihr toll gemacht!!
    Und ich finde gut, dass ihr die Tierrettung durch Euren Bericht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zeigt, daß Jäger sein nicht einfach nur Wildbestand abschießen ist…
    Danke Euch und Grüße aus dem Schwabenländle
    Alfred

  6. Schöne Aktion. Den Tieren zuliebe. Würde ich jederzeit mitmachen. Aber kein Skifahrer mehr.
    Tolle Fotos. Preisverdächtige Initiative. Macht eine Spendenaktion daraus!!!
    Da kommt was zusammen. Und fürs Tierwohl wäre das toll. LG Leyla, Christian & Pum

    • Die Fotos mit den Rehen zeigen tiefe Naturverbundenheit, das freut uns Menschen, die die Natur achten und mögen. Wir leben hier im Flachland mit Wald und Schilf und vielen Wildtieren, auch sehr schön.
      Frohe Weihnachten und allseits das nötige Quentchen Glück und gute Gesundheit

  7. Wir sind total baff und eigentlich fehlen uns die Worte zu dieser Geschichte und den herzerwärmenden Bildern…

    Vielen vielen herzlichen Dank für diese hammermäßige Aktion, höchste Anerkennung, ihr seid echte Helden!!!

  8. Grüezi Clemens. Was ihr für diese Rehe gemacht habt ist einfach grossartig. Herzlichen Dank dafür. Mir als Bündner Jäger tut das so gut. Hoffentlich sieht das eine der grössten Jägerhasser, Frau Marion Theus, ihres Zeichens Präsidentin vom Verein Wildtierschutz Schweiz.
    Weidmannsheil, frohe besinnliche Festtage, a guata Rutsch in’s 2021 und nu z’Beschta für Zuakunft wünsch i Allna va Härza, Röbi Bebi Landquart

    • Hallo Röbi,

      danke für die Worte. Wir hoffen auch, dass dadurch der Großteil der Jägerschaft, der genau aus diesem Holz geschnitzt ist, ins richtige Licht gerückt wird.
      Leider hört man sonst meist nur von den schwarzen Schafen – den schussgeilen Tötungslustigen – die definitiv eine Minderheit in der Jägerschaft darstellen.

      Alles Gute und viele Grüße aus Tirol,
      Lukas

  9. Da kann man nur sagen Daumen hoch, ein gewaltiger toller ,, Kraftakt“ und ich freu mich für jedes einzele Reh das gerettet wurde. Bin auch Jägerin und wir sind immer wieder gefordert als Heger zu agieren das somit auch Freude bereitet. Bravo!!!

  10. Bravo Ihr Jäger! Für mich als Jäger gehört das eben auch zur Jagd. Wir sind nicht nur Erleger! Nochmals ein GROSSES KOMPLIMENT für diesen Einsatz!!

    • Eben – der Großteil ist das Beobachten und die Hege. Nebenbei werden die Abschüsse behördlich festgelegt und bei Nicht-Erfüllen auch exekutiert was bis zu einem Verlust der Jagdkarte in Österreich gehen kann. Nur leider weiß das niemand. Hier gilt es noch viel Aufklärungsarbeit von Seiten der Jäger zu betreiben.

  11. Waidmannsdank ihr seid echte Vorbilder für die jägerschaft
    Viele Grüße aus Bayern, Franz Sommer, 1 Vorsitzender der Jägervereinigung Rosenheim

  12. Ganz tolle Leistung ich verbeuge mich vor diesen Männern!
    Das sollten auch die vielen Tierschützer sehen und einmal anerkennen wofür die von ihnen gehassten Jäger ebenfalls da sind!
    Nochmals Hochachtung
    Wmd Löcker Herbert

    • Hallo Herbert,

      danke für deine Worte.

      Leider wird von Seiten der Jagd um viele Dimensionen zu wenig Öffentlichkeitsarbeit gemacht und die wenigen schwarzen Schafe die es überall gibt und die von Leuten beobachtet oder bei ihren Gräueltaten gefilmt werden, ziehen die ganze Sparte ins falsche Licht.
      Wie in so vielen anderen Welten, bleibt man auch in der Jagd viel zu sehr in seinen eigenen Reihen und zu wenig von der tausenden Arbeitsstunden auch in den kleinen Jagdrevieren, der Hege, der Hintergründe und des Fachwissens dringt in die Öffentlichkeit.

      Wir haben deswegen hier bewusst einen Schritt in die Welt „da draußen“ gesetzt und hoffen, dass sich andere Jäger hier ein Beispiel nehmen werden :)

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