Am 15.12. wurde am Pirchkogel in den Stubaier Alpen eine mittelgroße Schneebrettlawine ausgelöst. Keiner der Beteiligten kam dabei zu schaden. Die Skifahrer haben eine Stelle mit wenig mächtiger Neuschneeauflage getroffen und konnten damit den Bruch initiieren der sich schlussendlich über eine größere Fläche in der Schwachschicht ausgebreitet hat. Schauen wir uns dazu den Unterschied zwischen einem Schneeprofil am Lawinenriss mit einer Herbst-Altschnee-Unterlage und einem Schneeprofil ohne herbstlicher Unterlage an.
Allgemeines zur Situation
Während sich die niedrige Auslösewahrscheinlichkeit in den vom Altschneeproblem betroffenen Bereichen nur langsam bessert, findet man dort wo es keine zusammenhängende Schneedecke vor Anfang Dezember gab, inzwischen sehr gute Verhältnisse. Die Schneeoberfläche in schattigem sowie in flachem, besonntem Gelände bleibt durch die oberflächliche, aufbauende Umwandlung pulvrig. Das hängt direkt mit dem Schönwetter und dem klaren Himmel zusammen. Dadurch kann die Schneeoberfläche weit unter die Lufttemperatur auskühlen und der oberflächliche Neuschnee verwandelt sich zu kleinen, kantigen Kristallen.
In steileren, besonnten Hängen findet man durch die hohen Temperaturen inzwischen meist eine brüchige Kruste. Diese entsteht durch die Kombi mit der eigentlich nur schwachen Sonne in der Zeit um den tiefsten Sonnenstand des Jahres.
Schneeprofil 1, 17.12.2020 – Unfalllawine Pirchkogel/Hinterer Grieskogel
Das Schneeprofil wurde zwei Tage nach der Lawinenauslösung in der Mitte des Anrisses aufgenommen. Wir befinden uns hier in einem 40° steilen, nach Nordosten exponierten, kammnahen Bereich. Das Schneebrett wurde vermutlich ganz in der Nähe des Profil-Standpunktes ausgelöst.
Wir finden hier eine ca. 70cm mächtige Schneedecke. Zwischen 70cm und ca. 35cm Höhe liegt der Schnee der Schneefälle seit 04. Dezember. Der Wind hat hier wohl den Großteil des Neuschnees abgetragen, denn der Starkschneefall vom 04.12. – 07.12. brachte hier mehr als 1m Neuschnee.
Darunter finden wir den Altschnee von Oktober und November und vielleicht ist hier auch schon der Septemberschnee liegen geblieben. An der ehemaligen Altschneeoberfläche hatten sich Tiefenreifkristalle gebildet die nun im Schneeprofil zwischen etwa 31cm und 28cm Höhe zu finden sind. Darunter liegt eine Schmelzkruste die ebenfalls massiv durch die aufbauende Umwandlung zerfressen wurde. Deswegen befindet sich im Brillensymbol der Schmelzkruste ebenfalls ein Tiefenreif-Symbol.
Beim Extended Column Test konnte beim 10. Schlag ein Bruch in der Schwachschicht aus Schwimmschnee über den gesamten Block erzeugt werden. Das passt sehr gut mit der Lawinenauslösung zusammen.
Der schwache Temperaturgradient in der unteren Hälfte der Schneedecke zeigt, dass dort derzeit die abbauende Umwandlung stattfindet. In der oberen Hälfte hingegen wird das Temperaturgefälle stärker und vor allem im obersten Bereich wird die Kurve immer flacher. Hier findet derzeit die aufbauende Umwandlung statt. Dies erkennt man auch an den kleinen, kantigen Kristallen die sich bereits im Neuschnee bilden konnten. Nach einer kurzen Phase der abbauenden Umwandlung nach Ende des Schneefalls, hat nun die aufbauende Umwandlung durch den klaren Himmel und damit tiefe Oberflächentemperatur übernommen.
Hier ein Video zur Lawine:
Schneeprofil 2, 19.12.2020 – St. Sigmund im Sellrain
Das zweite Profil zeigt den krassen Unterschied zu den Bereichen, wo vor dem 04.12. kein Schnee lag. Wir sind hier in einem Osthang auf einer Seehöhe von 2360m.
Es gibt hier keine Schwachschichten in Bodennähe. Lediglich eine – seit Ende des Starkschneefalls – auf etwa die halbe Schneehöhe gesetzte Schneedecke. Hier lag unmittelbar nach Schneefallende etwa 135cm Neuschnee – nun sind es noch 70cm.
Beim Stabilitätstest konnte nach 30 Schlägen weder ein Teilbruch, noch ein Bruch über den gesamten Block erzeugt werden. Das Ergebnis lautet deswegen ECT31.
Bodennah ist der Schnee bereits recht kompakt, weiter oben bilden sich dieser Tage – ebenfalls durch den stärkeren Gradienten aufgrund der oberflächlichen Abkühlung – kantige Kristalle. Diese sind aber noch winzig klein und noch kein Grund zur Sorge für den nächsten Schneefall.
In Summe findet man an diesem Standort top Verhältnisse aus einer gut gesetzten Unterlage mit 10 – 20cm aufbauend umgewandeltem Pulverschnee drauf.