Die Schneelast auf Dächern Eine halbe Tonne Schnee auf jedem Quadratmeter | SchneeGestöber #9 20/21

Die Schneelast auf Dächern Eine halbe Tonne Schnee auf jedem Quadratmeter | SchneeGestöber #9 20/21

Lesezeit: 11 min

Ende Jänner 2021: In den letzten Tagen las man immer wieder von eingestürzten Dächern der schneereichen Regionen südlich des Alpenhauptkammes. Aber wie viel Schneelast muss ein Dach eigentlich aushalten können und wie viel Kilogramm an Schnee liegen derzeit auf den Dächern Tirols?

In weiten Teilen der Alpen gibt es inzwischen eine satte Schneedecke, oft sogar bis in die Tallagen. Gleichzeitig liest man immer häufiger von einbrechenden Dächern. Meist sind große Hallen oder Bergstadel betroffen, teilweise sogar Einfamilienhäuser – wie das Beispiel am Foto aus Tristach in Osttirol zeigt.

Eingestürztes Dach eines Einfamilienhauses im Jänner 2021 bei Lienz in Osttirol. Foto: Nomen nescio

Was muss ein Dach aushalten? – Die Normen am Beispiel Österreich

Die behördlichen Vorgaben für die Schneelasten die ein Dach aushalten können muss, haben sich im Laufe der Zeit in Österreich immer wieder geändert. Zum einen liegt dies einfach an den immer längeren Zeitreihen an Messdaten und dem immer dichteren Stationsnetz. Zum anderen aber auch an besseren Modellierungs- und Berechnungsmethoden. Aber auch die Klimaerwärmung spielt natürlich eine Rolle: Dabei hat die Schneemenge in tieferen Regionen bereits heute merklich abgenommen – während es in höher gelegenen Regionen noch keine messbaren Veränderungen in der Schneelast gibt. Denkbar ist dort langfristig – je nach genauem Erwärmungsgrad – teilweise auch ein Anstieg der durchschnittlichen Schneelasten wegen möglicherweise höherer Niederschläge in Zukunft im Winter.

Die fünf Schneelastzonen in Österreich bis 2022. Achtung: Neben der Zone ist vor allem auch die Höhenlage des Ortes ausschlaggebend!
(Quelle: www.ziegler-metall.at)

Bis 2022 wurde Österreich immer in Schneelastzonen eingeteilt. Inzwischen wird ein deutlich komplexerer Raster angewendet. In Kombination mit der Höhenlage ergibt sich daraus dann die Vorgabe für die Lasten die ein Dach eines Neubaus pro Quadratmeter aushalten können muss.

Der Bereich bewegt sich also von 70 kg/m² im Wiener Becken und Burgenland bis zu etwa 1300 kg/m² in den niederschlagsreichsten und höchsten Orten Österreichs.

Die Werte werden durch die ÖNORM EN 1991-1-3 geregelt die zuletzt 2006, 2018 und 2022 überarbeitet wurde. Neben der Klimazone ist auch die Seehöhe ausschlaggebend, wobei eine fixe Formel bis zu 2000m angewandt wird – darüber gelten dann andere Regeln.

Die niedrigste Last gilt dabei für die pannonische Tiefebene – die Klimazone im äußersten Osten Österreichs mit den Bundesländern Burgenland und Wien.

Mehr als das Zehnfache, also über eine Tonne Schnee pro Quadratmeter müssen hingegen die Dächer von Zürs, St. Christoph am Arlberg oder Obertilliach in Osttirol aushalten können. Bei einer gut gesetzten Altschneedecke rechnet man mit einer Dichte von etwa 300 bis teilweise 400 kg pro Kubikmeter. Das heißt, am Arlbergpass wird es erst bei einer ca. drei Meter mächtigen, gesetzten Schneedecke notwendig, das Dach abzuschaufeln. Zumindest die Dächer, die nach den Normen gebaut wurden.

 

Durchschnittlicher Jahresniederschlag im Alpenraum. Am meisten fällt in der Gegend rund ums Jungfraujoch und in Friaul. Die größten Schneemengen werden in Österreichs Gemeinden zwischen dem Bregenzerwald und dem Arlberg sowie im südlichen Osttirol und im oberen Gailtal erreicht.

Wie werden die Werte festgelegt?

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik mit ihren jahrzehntelangen Messreihen aus allen erdenklichen Orten Österreichs stellt die wichtigste Institution in Sachen Schneelast-Knowhow in Österreich dar. Die ZAMG betreibt regelmäßige Schneelastmessungen in mehreren Orten Österreichs und gibt Empfehlungen, sobald Dächer abgeschaufelt werden sollten.

Gängiger Irrglaube: Regen auf Schnee erhöht die Last extrem

Wenn es regnet, wird der Schnee und damit die Dachlast maximal um das Gewicht schwerer, wie viel an Regen gefallen ist. Ein Liter/m² Regen ist ein Kilogramm Wasser. Und meist regnet es im Winter, vor allem in höheren Lagen, kaum mal mehr als 20 oder 30 Liter pro Quadratmeter.

Der Eindruck, dass der Schnee um ein Vielfaches schwerer würde, entsteht nur durch die Dichteänderung aufgrund der starken Setzung der Schneedecke mit dem Regen. Der Schnee wird hauptsächlich dichter, aber nur um das bisschen Regen schwerer. Im Alltag wird aber die Dichte eines Materials oft mit dem Gewicht gleichgesetzt beziehungsweise verwechselt. Regnet es so stark, dass die gesamte Schneedecke durchfeuchtet und sogar Wasser aus ihr abrinnen kann, wird die Schneedecke oft durch den Regen sogar leichter statt schwerer. Das verlorene Gewicht rinnt dann einfach über die Dachrinne als Wasser ab während man als Mensch gleichzeitig das Gefühl hat, die Last würde sich durch die höhere Dichte am Dach erhöhen. Mehr dazu im SchneeGestöber #16 2019/20.

Einstürzende Dächer – ganz normal?

Die Normwerte stützen sich auf eine gewisse Jährlichkeit von Schneelasten. Die Frage ist: Wie oft kommt diese Schneelast statistisch gesehen in dieser Region vor? Dabei geht man von vielen Jahrzehnten aus.

Nach heutiger (!) Norm gebaute Dächer müssten demnach wirklich nur in einem Bruchteil der Winter abgeschöpft werden in dem sie tatsächlich von den Menschen vom Schnee befreit werden. Meistens geht man nur auf Nummer sicher, da man vor allem bei einer mächtigen Schneedecke bereits im Frühwinter nie weiß, wie sich der Winter weiter entwickeln wird. Außerdem wird es bei mehr Schnee immer schwieriger und zeitaufwändiger, die Schneemassen von den Dächern herunter zu bekommen.

Beispiele vom Jänner 2021 aus Osttirol

Die derzeitige Situation in Tirol – Jänner 2021

Gewaltige Schneehöhen und damit auch Schneelasten auf den Bergen Osttirols. Foto: Alois Mariacher – https://www.virgenalpin.at/

In Osttirol hat es im bisherigen Winter 2020/21 zwei bis dreimal so viel geschneit als ein einem durchschnittlichen, gesamten Winter. Der Hotspot ist momentan Obertilliach im südlichen Osttirol. Dort werden Werte von 550 Kilogramm Schnee pro Quadratmeter gemessen. Auf einer Seehöhe von 1.400 Metern bei einer Schneehöhe von etwa 170 cm. Die Schneedichte beträgt damit ca. 330 kg/m³. Oder einfacher gesagt: Auf jedem Quadratmeter steht eine kleine Kuh.

In den Nordtiroler Gemeinden ähnlicher Seehöhe kommt die Schneelast meist noch nicht an 300 Kilogramm pro Quadratmeter heran.

Außergewöhnlich ist vor allem der Raum um Lienz in Osttirol. Dort wurden die Normen bereits überschritten und dementsprechend wurden wochenlang hunderte Dächer abgeschaufelt. Die meisten Meldungen eingestürzter Dächer kamen auch von den tieferen Tallagen Osttirols und aus Oberkärnten.

Auf einer Seehöhe von 660m liegen in Lienz derzeit 435 Kilogramm Schnee pro Quadratmeter. Die Normlast liegt jedoch 2021 bei 360kg/m².

Für die Sellraintaler

Die Norm liegt für

  • Kühtai bei 920 kg/m² seit 2022, vor 2022 bei 1120 kg/m²
  • St. Sigmund bei 650 kg/m² seit 2022, vorher bei 670 kg/m²
  • Gries bei 390kg/m² heute, bis 2022 bei 470 kg/m²
  • Sellrain bei 290 kg/m², früher 330 kg/m²

Mit 31.01.2021 liegen in St. Sigmund ca. 280 kg/m² Schnee.

Weiterführende Links

Schneelastrechner für Österreich: https://schneelastberechnung.at/

ORF-Artikel zur Situation Mitte Jänner 2021: https://tirol.orf.at/stories/3085521/

Schneewasserwertmessungen Hydrographie Tirol: https://wiski.tirol.gv.at/hydro/#/Schneewasserwert

Messungen vom 26.01.2021 aus dem Pitztal und aus Osttirol

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