Nach vier Lawinen-Todesopfern bei drei Lawinenunfällen zwischen der Axamer Lizum und Kühtai an einem einzigen Samstag, 30.01., hält die heimtückische Lawinensituation noch an.
Ich hatte leider in den letzten Tagen zu wenig Zeit, etwas für den Blog aufzubereiten. Bitte seid noch äußerst defensiv unterwegs so lange der LWD von der perfiden Situation spricht.
Allgemeines zur momentanen Situation
- Durch eine ausgesprochen seltene Abfolge von gewissen Schichten in der Schneedecke gibt es momentan sogar viele Fernauslösungen von Lawinen aus flachem Gelände.
- Der Grund dafür ist die lange und kalte Schönwetterphase von Ende Dezember bis Mitte Jänner. In diesem Zeitraum haben sich ausgeprägte Schwachschichten entwickelt. Nun hat es mehrmals geschneit – meist bei starkem Wind. Damit ist das perfekte Schneebrett oberhalb der Schwachschichten entstanden.
- Die Amerikaner würden sagen, die Schneedecke ist ‘touchy’ – also richtig berührungsempfindlich.
- Die Lawinenwarndienste grenzen den Bereich dieses Altschneeproblems hauptsächlich auf ein Höhenband zwischen 1900m und 2300m ein. Genau dort passt die Konstellation aus Schneebrett und Schwachschicht perfekt zur Lawinenauslösung
- Das Gemeine daran: Man erkennt an der Schneeoberfläche gar keine Gefahrenzeichen bei einer solchen Situation: alles schaut schön verschneit aus und meist liegt auch schöner Pulverschnee auf der Oberfläche vom letzten, fast windlosen Schneefall. So eine heimtückische Situation gibt es sehr selten.
- Gute Verhältnisse kommen bestimmt wieder. Geduld und Zurückhaltung sind das Mittel der Wahl.
Hier Infos und Fotos vom „Lawinenwochenende“ Samstag, 30.01. bis Montag, 01.02. zusammengewürfelt
30.01. Vormittag: Lawinenauslösung durch Skifahrer, Bereich Vorderer Grieskogel, Kaiserbahn, Kühtai
Der Sprengmasten wurde 20 Stunden vorher ausgelöst, wie bereits mehrfach in der Saison. Dabei sind immer nur Mini-Schneebretter in oberflächennahen Schichten abgegangen. Da trotz des schlechten Schneedeckenaufbaus durch die Sprengung wiederum keine Lawine ausgelöst werden konnte, entschlossen sich die Skigebietsbetreiber, die darunterliegende Piste zu sperren. Am Samstag, 30.01. wurde die Lawine schließlich von einer Gruppe von Skifahrern ausgelöst – wobei niemand verschüttet wurde. Ein Großeinsatz samt vieler, helfender Freerider suchte den Lawinenkegel ab.
30.01. Nachmittag: Tödlicher Lawinenunfall Neunerkogel/Mute/Staumauer, Kühtai
Während ich bei der Analyse der Schneebrettlawine oberhalb der Kaiserbahn war, kam die Einsatzmeldung zur gegenüberliegenden Talseite.
Mehr dazu im Artikel hier und im Blogeintrag des Lawinenwarndienstes.
01.02. Vormittag: Analyse Lawinenunfall Sömen
Nach einem abendlichen Sucheinsatz konnte ein junges Paar das bereits am Samstag, 30.01., zu einer Skitour auf den Sömen aufgebrochen war, nur mehr tot geborgen werden. Medienbericht hier.
Nähere Infos dazu demnächst im Lawinenwarndienst-Blog.
01.02. Nachmittag: Abschluss Analyse Lawinenunfall Vorderer Grieskogel, Kaiserbahn, Kühtai
Für das Durchbrechen in die bodennahe Schicht war ein Hotspot verantwortlich – vielleicht war es sogar der einzige Punkt wo dies überhaupt möglich war. Ausgelöst wurde primär ein kleines, wenig mächtiges Brett im frischen Triebschnee ganz rechts oben auf den Fotos. Durch dessen Belastung ist eine etwas tiefere Schicht im Mittelteil der Schneedecke gebrochen. Dann wurde der Impuls so groß – der noch dazu genau an der richtigen Stelle gewirkt haben muss, dass es bis in die meist schon verkrustete, kaum mehr als „Schwachschicht“ erkennbare, bodennahe Schicht durchgebrochen ist.
Der Vorfall bestätigt wieder einmal: Man kann mit allen menschenmöglichen und zumutbaren Maßnahmen niemals vollständig „sicher“ sein – weder auf Skitour noch bei der Sicherung eines Skigebietes. Die Entscheidung nach der negativen Sprengung, die Piste darunter zu schließen, war von den Skigebietsbetreibern weitsichtig und goldrichtig.
30.01. Tödlicher Lawinenunfall Widdersberg, Axamer Lizum
Mehr dazu demnächst im Lawinenwarndienst Blog.
Der langjährige Durchschnitt von genau einem Lawinentoten je Saison in der Region Kühtai-Sellraintal ist leider damit übertroffen.
Vielen Dank Lukas für die fachliche und sachliche Analyse.
Sehr schwierige und so schwer einzuschätzende Situation momentan…… Lustigerweise wäre ich mit Dir letztes WE von der ÖAV Akademie aus zur Schneedeckenanalyse im Kühtai unterwegs gewesen, hoffe es wird bald mal nachgeholt.
LG Frank
Hallo Frank,
danke für die Worte.
Ich freue mich, wenn wir uns im nächsten Winter beim Schneedeckenupdate sehen :)
LG
Lukas