Auf der Suche nach der längstmöglichen Sommerskitour der Ostalpen sitze ich bei einem abendlichen Kartenstudium vor zwei Jahren am Computer und mir kommt die Idee zu dieser außergewöhnlichen Skidurchquerung die in guten Jahren bis Mitte Juli mit Ski sinnvoll machbar ist.
Der Weißkamm – die größte Gletscherfläche der Ostalpen
Der Tiroler Weißkamm zwischen der Weißkugel und dem Rettenbachferner ist eine der größten, zusammenhängenden Gletscherfläche der Ostalpen und gleichzeitig vom Gelände her perfekt geeignet um auch im Hochsommer mit Ski unterwegs zu sein. Es gibt keine zu steilen Gletscherflanken und zwischen den Gletschern jeweils problemlos machbare Übergänge und Jöcher.
Die Route ist somit schnell ausgearbeitet und nach etwas Geduld für gute Bedingungen und stabiles Wetter lassen es Michael Schinner und ich bei perfekten Bedingungen am 03. Juli 2021 krachen.
Rezept für gute Bedingungen zum Skifahren im Sommer
Die Bedingungen konnten besser nicht sein: Zwei Tage vorher schneit es bis 2400 m hinunter. Hochalpin gibt es dabei zehn bis 20 Zentimeter an Neuschnee der die unregelmäßigen Sommerschneeformen wieder gut einebnet. Es folgt ein sonniger, kühler Tag an dem sich der Neuschnee setzen und umwandeln kann. Zwei Tage nach dem Neuschnee wird die Luft sehr trocken und die Nacht vorher klar – außerdem ist es immer noch relativ kühl.
Die Tour
Parkplatz Kaunertaler Gletscherbahnen – Nörderschartl – Weißseespitze – Gepatschferner – Gepatschjoch – Vernagtferner – Hochvernagtspitze – Vernagtferner – Taschach Hochjoch – Petersenspitze – Taschachferner – Wildspitze – Jubiläumsgrat – Mittelbergferner – Linker Fernerkogel – Hangender Ferner – Innere Schwarze Schneid – Rettenbachferner – Parkplatz Ötztaler Gletscherbahnen
Weitere Google Earth Übersichtsbilder:
Kaunertaler Gletscher – Weißseespitze – Gepatschjoch
Vom Parkplatz des Kaunertaler Gletschers starten wir also an jenem Samstag um 04 Uhr 08 über das Nörderschartl auf die Weißseespitze. Wir erleben einen gewaltigen Sonnenaufgang über der größten Gletscherfläche Österreichs. Besonders die Wolken gestalten ihn einmalig schön. Die Abfahrt über den Gepatschferner ist um diese Tageszeit noch hart aber der Schnee ist großteils glatt und daher auch toll zu fahren. Wir fellen auf und bewegen unsere Hinterteile im Schatten weiter auf das Gepatschjoch.
Hochvernagtspitze – Vernagtferner – Petersenspitze
Weiter gehts auf die Hochvernagtspitze und von dort bei richtig lässigem, glattem Zischfirn hinunter auf den Vernagtferner. Langsam steigt die Sonne höher und wir können im Shirt weitergehen. Die Luft bleibt aber relativ kühl und damit sind die Bedingungen ideal für eine solche Tour.
Übers Taschach Hochjoch „bootpacken“ wir am Grat auf die Petersenspitze. Es ist erschreckend, wie sehr die Gletscher und Eiswände selbst auf dieser Höhe und auch schattseitig jedes Jahr an Masse verlieren.
Taschachferner – Wildspitze – Jubiläumsgrat
Am Taschachferner kommen wir schließlich flott auf die Wildspitze weiter. Hier sind bereits einige Spalten nur mehr schwach überdeckt und Leute der Hochtourengruppen sind bereits in welche eingebrochen. Wir sind froh um unsere Ski und entscheiden uns aufgrund des immer noch harten Schnees in diesen Nordwesthängen, das Seil hier trotzdem im Rucksack zu lassen – auch wenn das Risiko hier kurzfristig deutlich erhöht war. Sonst war die Spaltenüberdeckung auf der gesamten Tour übrigens noch für die Jahreszeit mittelmäßig bis gut.
Die Ausgangsbedingungen bis Ende Mai waren für die Gletscher einfach perfekt, aber der schwül-heiße Juni hat wieder fast den ganzen Schnee dahingerafft. So, dass hochalpin nur mehr marginal mehr Schnee liegt als im Durchschnitt der letzten Jahre Anfang Juli. Für die Gletscher in den Ostalpen ist eben der Sommer ausschlaggebend – nicht der Winter!
Nebenbei noch erwähnt: Wir haben uns trotz einer Skitour entschieden, die Lawinenausrüstung diesmal nicht mitzunehmen und dafür ein paar Karabiner und Schlingen mehr am Gurt mitzuführen.
Auf der Wildspitze genießen wir eine halbe Stunde lang das Panorama in der Mittagssonne. Wir sind jetzt sogar am Gipfel alleine – an diesem wunderschönen Samstag zur Hochsaison. Weiter geht es über den Jubiläumsgrat mit Steigeisen in Richtung Mittelbergferner. Die steile Flanke am Grat ist dank des Neuschnees noch gut zu gehen, sonst hätte schon auf ein paar Metern das blanke Gletschereis rausgeschaut.
Linker Fernerkogel – Hangender Ferner – Schwarze Schneid
Über den flachen Mittelbergferner fahren wir mit wenigen Schwüngen hinaus ‚gen Sölden. Michi entscheidet sich, den Linken Fernerkogel und die Schwarze Schneid auszulassen und steigt deshalb vom Hangenden Ferner direkt ins Ötztaler Gletscherskigebiet auf. Ich nehme die beiden Gipfel noch mit. Inzwischen sind Wolken aufgequollen, beziehungsweise hereingezogen, und der Mix aus dem perfekten Wetterablauf für diese Durchquerung um diese Jahreszeit rundet sich ab: Am Nachmittag ist es damit wieder gerade recht temperiert um angenehm aufsteigen zu können.
Jetzt ist der Schnee natürlich schon weicher geworden und bremst etwas. Aber wir fahren halt doch lieber mit Ski ab als zufuß abzusteigen, auch wenn es skifahrerisch nicht mehr so lohnend ist wie die ersten zwei Drittel der Tour.
Abschluss am Rettenbachferner
Die Tour scheint auf den ersten Blick viel weiter zu sein als sie tatsächlich ist: Nach nur 3.200 Aufstiegshöhenmetern und 33 Kilometern Gesamtstrecke kommen wir mit unseren geliebten Bretteln am Parkplatz des Rettenbachferners an. Dort, wo sich im Oktober immer der Zieleinlauf des Ski-Weltcupauftakts von Sölden befindet.
Da die Strecke nicht nur planerisch etwas an Aufwand erfordert, sondern vor allem logistisch, sind wir heilfroh, dass uns Michis Eltern dort in Empfang nehmen und unser Auto bereits vorher im Kaunertal abgeholt haben. Ein großes Danke dafür!
Wenn man von St. Sigmund aus mit zwei Autos frühmorgens zum Rettenbachferner fahren würde, dort eines stehen lässt, mit dem zweiten ins Kaunertal fährt zum Ausgangspunkt… Dann mit dem zweiten wieder vom Rettenbachferner zurück ins Kaunertal das andere abholen und mit beiden Autos vom hinteren Kaunertal wieder heim nach St. Sigmund… Dann wären das gesamt 590 Kilometer!
Die Saison wartet jetzt noch auf eine kleine – psychologisch notwendige -Abschluss-Skitour. Nichtsdestotrotz war es einer – oder um nicht zu sagen: DER Höhepunkt dieser unglaublich tollen Skitourensaison 2020/21. Und das im Juli. Man fühlt sich wohl nirgends besser als im hochalpinen, vergletscherten Gelände. Das Tourenbuch schreit jedenfalls öfter nach dieser Skitour im Sommer…
Vielleicht deswegen, weil die Gletscherflächen die letzte, echte Wildnis des Alpenraums sind – im Gegensatz zur Kulturlandschaft die man sonst auf den Bergen der Alpen findet.
Hier geht’s zum Video der Tour:
https://www.facebook.com/lukasruetz.at/videos/375465113960849
Danksagung
In diesem Zuge ebenfalls ein großes Danke an alle jene Menschen die in verschiedenster Weise unterstützen und mitwirken – ohne euch wären solche Projekte nicht realisierbar!
Sowie an meine treuen Partner
- Fischer —– #livetoski!
- Ortovox —– #skilocal!
- Eska — #gloverevolution!
- Salewa —- #puremountain!
- Kohla Tirol —- #kohlabergerlebnis!
– Anzeige –
Ich mache selten explizit Werbung… aber da man außergewöhnliche Touren nur mit verlässlicher Ausrüstung durchführen kann und mich diese Dinge seit Jahren nicht im Stich gelassen haben, heute eine Auflistung was mich bei solchen Projekten begleitet:
– Fischer Transalp 82 in 163 cm
– Fischer Travers CC (überarbeitete Version)
– Fischer Speed Lite Bindung
– Ortovox Ortler Hardshell Jacke
– Ortovox Col Becchei Hose
– Eska Pulse Handschuhe
– Eska Multi Shield X Handschuhe
– Salewa Apex Guide 45l Rucksack
– Salewa Alpinist Steigeisen
– Kohla Vertical Felle, mit neuer Kleberformel wie sie erst in den Handel kommen wird
– Kohla Feather Pro Skitourenstock