Lyngen, Tromsø, Lofoten – seit vielen Jahren hört man im Frühjahr gefühlt nichts mehr anderes in der Skitourenszene. Die Feeds von Instagram und Facebook sind zwischen Ende März und Anfang Mai voll davon. Kristian und ich waren für zwölf Tage im April 2023 auch in Norwegen zum Skitourengehen – aber in einem weniger bekannten Eck dieses wunderschönen, riesigen Landes.
Durch die Teilnahme an einem Forschungsprojekt zur Entscheidungsfindung im Lawinengelände der UiT war ich Mitte April 2023 zu einer gemeinsamen Abschlusswoche in Norwegen eingeladen. Kristian Rath, Beobachter des Bayrischen Lawinenwarndienstes, hat sich mir kurzfristig angeschlossen. Nach dem offiziellen Teil mit Vertretern der Lawinenszene aus Norwegen und Kanada sind wir noch einige Tage in Südnorwegen zum Skitourengehen geblieben.
Inhaltsverzeichnis
Teil 1 – Allgemeines zu Skitouren in Norwegen
Geographie
Norwegen ist ein riesengroßes Land mit sehr geringer Bevölkerungsdichte und starker Zersiedelung. Durch die gewaltige Nord-Süd-Ausdehnung und, weil der Großteil des Landes gebirgig ist, stellt sich das Skitourengehen entsprechend vielfältig dar. In den, bei uns bekannten und mittlerweile stark von Urlaubern frequentierten, Regionen im Norden des Landes herrschen teils andere Gesetze als im Süden.
Die Gegend rund um Tromsø (sprich: Trumsö) im Norden liegt nördlich des Polarkreises direkt am Meer. Die Berge sind häufig steiler als im Süden, nicht so hoch und der Schneedeckenaufbau unterscheidet sich kaum in den verschiedenen Expositionen durch die vollständig fehlende Sonne im Frühwinter. Viele Skitouren müssen mit dem Boot über das Meer erreicht werden.
Wir waren im recht unbekannten Süden. Dort gibt es auch Berge und Gebirgsgruppen ohne Ende. Das Gebiet ist durchwegs gut erschlossen und mit einem Auto erreichbar – in die unbesiedelten Täler führen meistens Forstwege (oft mautpflichtig) zu den dortigen Almen.
Die Gegend liegt um den 61. Breitengrad und bekommt dadurch auch im Frühwinter noch ein bisschen Sonne ab. Vorstellen kann man sich das Ganze wie weite Teile der Alpen – nur mit weniger Menschen, kleineren Dörfern, kaum Städten – aber ähnlich gut organisiert und erschlossen. Die größten Unterschiede liegen in der viel deutlicher von Gletschern und der Eiszeit geprägten Landschaft: überall sind Seen, Seen, Seen, Wasser, Wasser, Wasser, die Täler sind flach und breit ausgeschürft, die Hangkanten teilweise steil und von Felsplattenfluchten gezeichnet. Oben finden sich unvorstellbar große Plateaus. Als ob die Alpen mit Grönland ein Kind bekommen hätten.
Genauer gesagt, waren wir rund um den bzw. am Jostedalsbreen unterwegs. Das ist der größte Gletscher in Europa (bzw. dem Festland von Europa). Ja, der größte Gletscher Europas liegt nicht in den Alpen, sondern in Norwegen bzw. im weiteren Sinn in Island…
Am Anfang unserer Reise waren wir südöstlich des Jostedalsbreen (Hafslo), dann ein paar Tage westlich davon (Skei), dann auf dem höchsten Punkt des Jostedalsbreen – der Lodalskåpa (Olden), dann östlich vom Jostedalsbreen im Jotunheimen (Lom), das ist die höchste Gebirgsgruppe Skandinaviens und zum Schluss weiter südöstlich davon im Hemsedal.
Vegetationsstufen: der Wald & die Gletscher
Statt großer Fichtenwälder gibt es meist kleinere Fichten- oder im Landesinneren große Föhrenwälder, die Waldgrenze wird hingegen von Birken gebildet. Die Baumgrenze befindet sich, je nachdem ob man weiter ins Landesinnere kommt oder sich weiter in Richtung Meer befindet, bei 500 – 1100m. Wenn man von unseren Höhenstufen etwa 1000 – 1300m abzieht, ist man in einem ähnlichen Vegetationsbereich im südlichen Norwegen. Interessant: Auf allen Bäumen befindet sich deutlich mehr Baumbart als bei uns – vielleicht wegen der höheren Niederschlagsmenge?
Die Gletscher beginnen im Bereich der Fjorde bei etwa 1300m, im niederschlagsärmeren Jotunheimen erst bei 1700m und noch weiter östlich gibt es auf 2000m hohen Bergen keine Gletscher mehr – aufgrund des geringen Jahresniederschlags.
Das Wetter in Norwegen
Die Antwort ist recht einfach: Großteils schlecht und ganzjährig viel Niederschlag. Damit wäre alles gesagt.
Aber es steckt mehr dahinter. In unserem Reisegebiet ist der Gradient in der Niederschlagsmenge von den Bergen an der Küste (westlich Jostedalsbreen) zu den Bergen in Jotunheimen gewaltig:
In Jotunheimen gibt es auf den Bergen zwischen 1000 – 1500mm Niederschlag im Jahr (ähnlich wie im Sellrain), noch weiter östlich davon geht die Menge schnell an die 700mm pro Jahr hinunter (Vinschgau). Am Jostedalsbreen bewegen wir uns bei 3000 – 4000mm im Jahr (schon deutlich mehr als am Arlberg) und weiter westlich davon werden mehr als 4000mm Jahresniederschlag erreicht (in Tirol nirgends vergleichbar).
Im Landesinneren sind die Winter deutlich trockener als die Sommer. In Küstennähe ist es immer feucht – und vom Herbst bis ins Frühjahr extrem feucht.
Am trockensten ist es überall zwischen März und Mai, im Sommer wird der Niederschlag dann schon wieder mehr. Aber die trockensten Monate sind dort großteils immer noch gleich feucht wie bei uns die feuchtesten Monate. Lange, stabile Schönwetterphasen sind selten.
Wir hatten riesiges Glück: Von gesamt elf Tagen ohne An-Abreise, waren sieben Tage wunderschön, wolkenlos, ohne Wind, nicht einmal auf den höchsten Gipfeln ein Brise. Es war eine der höchst-seltenen, mehrtägigen, stabilen Wetterphasen. Das wurde uns auch mehrmals gesagt „You’re so lucky.“ Es war vielleicht die beste Skitourenwoche dieser Saison dort.
Besiedelung
Die norwegischen Täler im Süden sind großteils besiedelt, im Landesinneren bis etwa 800m hinauf, in Küstennähe bis maximal 300m Seehöhe. Es gibt zwischen den Dörfern oder den kleinen Städten fast durchwegs Höfe und die Flächen neben der Straße sind meist landwirtschaftlich genutzt. Die Landwirtschaft wird ähnlich wie bei uns in den höhergelegenen Seitentälern betrieben. Der erste Schnitt findet Ende Juni, Anfang Juli statt, der zweite Schnitt Ende August, Anfang September. In den letzten Jahren sind viele der kleinen Bauernhöfe von Milchkühen auf Schafe oder Mutterkühe umgestiegen. Es gibt fast überall Almen wo die Tiere den Sommer verbringen. Viele Lämmer und Kälber fallen dem Vielfraß, einer Art übergroßem Marder, zum Opfer. Große Gebiete leiden an einer starken Abwanderung.
Bunt gemischte Auffälligkeiten
Wie erwartet, ist das Land top organisiert – in jeglicher Hinsicht.
Häuser werden normal vollständig mit Strom geheizt und sind kaum isoliert. Man sieht auch in jedem Tal und fast jedem Dorf Wasserkraftwerke und Druckrohrleitungen. Häuser werden selten versperrt, auch nachts – der niedrigen Kriminalität geschuldet.
Die ältere Bevölkerung kann sich auch auf Englisch unterhalten – die jüngeren können sowieso perfekt Englisch. Norwegisch braucht man nicht annähernd zu lernen um sich verständigen zu können. Norwegisch kann man als deutscher Muttersprachler mit ein wenig Englischkenntnissen sinnerfassend lesen, das gesprochene Norwegisch kann man kaum verstehen.
Der Handyempfang war bei uns auch am Berg immer erstaunlich gut. Norwegen ist Teil des Roaming-Abkommens der EU, man kann seinen Handytarif dort zu gleichen Konditionen wie daheim nützen.
Bergrettung und Flugrettung ist vorhanden. Informationen zu Bergen, Touren, Miethütten und ähnlichem findet man überall im Internet – zumindest auf Englisch oder Norwegisch.
Es ist üblich, alles mit der Kreditkare zu bezahlen. Man kommt problemlos ohne Bargeld durch bzw. wird teilweise sogar schief angeschaut, wenn man bar bezahlen möchte.
Wichtige Vokabel: Fjell = Berg, Topp = Gipfel. Alles andere erschließt sich aus den oft fast identen deutschen oder englischen Wörtern.
Teil 2 – Die Reise & unsere Skitouren durch Norwegen
14.04. Autofahrt Oslo (sprich: Uschlu) Flughafen nach Hafslo (sprich: Hafschlu), das Gebiet rund um den inneren Sognefjord südlich des Jostedalsbreen
15.04. Gemütliche Skitour auf einen Hügelberg in der Nähe der Unterkunft
Am ersten Tag war das Wetter allerdings auch bei uns schlecht. Bei der Unterkunft regnet es.
Der West-Ost-Föhn
Wir beobachten das Niederschlagsradar. Die Südostanströmung führt östlich der hohen Berge zu intensivem Niederschlag, westlich davon hört dieser schlagartig auf und auf den Webcams noch weiter im Westen schaut sogar die Sonne durch die Wolken. Während in den Ostalpen Süd- und Nordföhn die Hauptrolle spielen, sind es hier Föhn- und Staueffekte in West-Ostrichtung. Und die Regionen tief im Herzen der Berge sind allgemein sehr niederschlagsarm – wie überall.
16.04. Blåfjellet, 1400m
Das Wetter wird am 16.04. gut und soll eine Woche gut bleiben. Wir fahren von Hafslo in Richtung Skei (sprich: Schei) westlich des Jostedalsbreen. Es hat gestern recht weit hinauf geregnet, die Nacht war bedeckt und es ist sehr warm. Wir halten unterwegs an und gehen über das Skigebiet von Sogndal (dal, dalen = Tal) auf eine Kuppe hinter den Liften. Blåfjellet heißt „blauer Berg“, jeder zweite Hügel heißt in Norwegen so. Der Neuschnee ist oft pappig aber in einer schattseitigen Abfahrt finden wir noch ein paar hundert Höhenmeter guten Pulver bis zur gestrigen Schneefallgrenze.
17.04. Grovabreen, 1636m
Wir bleiben zwei Nächte in einer Ferienwohnung in Skei. „Breen“ heißt Gletscher. Der Grovabreen ist ein mittelgroßer Plateaugletscher in der Nähe von Skei. Die Nacht war klar und der Schnee ist morgens perfekt gefroren. Oben hat leider der Südoststurm vor dem 15.04. massiv gewütet und der erhoffte Pulver in Schattenhängen wurde durchwegs in Windgangeln oder eine hart-gepresste Oberfläche verwandelt. Unten finden wir lässigen Firn am Nachmittag.
Exkurs: Geomorphologie – Das Land der Riesenhügel
Durch die vollständige Eisbedeckung Norwegens in der letzten Eiszeit gibt es nicht nur ausgeschliffene U-Täler, Fjorde, tausende Seen… die meisten Berge sind kuppenartige Riesenhügel – so wie der Grovabreen…
18.04. Snønipa, 1827m
Von Skei aus fahren wir in ein Seitental und gehen von Süden zum Myklebustbreen und auf den Gipfel. Die Schneegrenze befindet sich auf etwa 450m, wir müssen die Ski ein paar Minuten tragen. Der Harschdeckel ist heute im unteren Teil schon deutlich dünner als gestern – es ist für Norwegen abartig warm für die Jahreszeit. Bei der Abfahrt erwischen wir am frühen Nachmittag perfekten Firn.
Danach fahren wir direkt ins Dorf Olden weiter in den Norden.
Exkurs: Eiszeitüberbleibsel – Fjorde, Seen, flache, weite Trogtäler, Gleitschnee auf Felsplatten und Häuser ohne Keller
19.04. Lodalskåpa, 2083m
Die Lodalskåpa ist der höchste Punkt am Jostedalsbreen. Kristian hatte sie ganz weit oben auf seiner ToDo-Liste. Sie ist eine der wenigen, besonders steilen Berge der Gegend und erfordert sehr gute Verhältnisse. Der Zustieg ist mit einigen, sehr flachen Passagen im Tal, einem steilen Abschnitt im Birkenwald und einem Gletscherhatscher versehen. Der Gipfelanstieg ist ein etwa 50 – 53° steiles, 150 Höhenmeter langes Schneefeld mit Absturzgelände darunter.
Gestern Nachmittag haben noch die Straße zum Ausgangspunkt der heutigen Tour ausgekundschaftet. Man startet normalerweise von der Bødalsseter. Seter sind Almen, das Wort ist eng verwandt mit den alemannischen Äquivalenten „Saas“ in der Schweiz oder „Säss“ im Allgäu. Die Straße zur Alm ist noch nicht geräumt und eine Lawine versperrt den Weg.
Wir starten also am nächsten Morgen am Fahrweg vor der Lawinenablagerung auf einer Höhe von 250m und tragen die Ski eine halbe Stunde. Der Aufstieg zieht sich massiv – aber wir erreichen den Gipfel bei idealen Verhältnissen. Nach fast 2000 Höhenmetern samt den Gegenanstiegen sind wir stolz und froh, eine derart lässige Tour bei solchen Verhältnissen gemacht zu haben.
Der Harschdeckel war heute früh auf den untersten 500 Höhenmetern der Tour aber nur mehr grad so tragfähig am Morgen. Es ist nochmals wärmer geworden. Wir beschließen dadurch, am nächsten Tag von der Fjordregion westlich des Jostedalsbreen weiter ins Landesinnere zu fahren und dort die höheren Berge mit den deutlich höheren Straßen und höheren Ausgangspunkten aufzusuchen.
20.04. Glittertind, 2460m
Maritim vs. Kontinental: Von den Fjorden am Jostedalsbreen ins Jotunheimen – wie eine Reise vom Allgäu ins Sellrain
Nach einer zweiten Nacht in Olden fahren wir frühmorgens 2 1/2 Stunden weiter nach Lom ins Jotunheimen (sprich: Jutnheimen). Das Jotunheimen ist die höchste Gebirgsgruppe Norwegens. Der Glittertinden (tind, tinden = Spitze) war bis in die 1980er und mit seinem zig Meter mächtigem Firngrat der höchste Berg Skandinaviens. Der Firn bzw. das Eis am Gipfel ist mittlerweile aber vollständig abgeschmolzen. Seitdem ist der benachbarte Galdhøpiggen der höchste Berg der Skanden.
Der Forstweg zum Ausgangspunkt Spiterstulen – eine der bekanntesten und größten Schutzhütten in Norwegen – ist offen. Wir starten um 9 Uhr über die Westroute zum Glittertinden und finden abermals perfekte Verhältnisse vor. Der höhere Ausgangspunkt lohnt sich ob der hohen Temperaturen definitiv. Weiter oben gibt es sogar noch ein bisschen perfekten Pulver in Nordhängen. Am Gipfel treffen wir eine Gruppe mit Leuten aus Garmisch.
Wir suchen uns danach eine Hütte auf einem Bauernhof in Lom am Eingang ins Bøverdal – dem Haupttal des Jotunheimen.
Exkurs: Geologie
Glittertinden würde auf Deutsch „Glimmer- oder Glitzerspitze“ heißen, weil die Orthogneise in diesem Gebiet deutlich mehr Glimmer enthalten als in den benachbarten Regionen. Allgemein besteht fast das gesamte Land nur aus Gneisen. Ich habe bei unseren Touren überhaupt nur Orthogneise gesehen. Granodioritgneise wie am Acherkogel oder Granitgneise wie am Lüsener Fernerkogel, oft sogar fast ident zu den unseren.
21.04. Store Smørstabbtinden (Hohe Butterspitze?) 2208m + Storebjørn (Großer Bär), 2222m
Am 21.04. fahren wir auf den Sognefjellet – der Passübergang in den Süden von Lom aus wo man wieder nach Hafslo kommen würde. Die Straße hat auf unserer Seite bereits bis zur Passhöhe geöffnet, die Südseite öffnet erst am 01.05.
Die heutigen Gipfel sind große Klassiker und wegen der Starthöhe auf etwa 1300m (würde bei uns etwa 2300 – 2500m entsprechen), bis in den Juni hinein vom Auto aus machbar und werden auch häufig im Frühsommer noch mit Ski gemacht. Entsprechend treffen wir heute ziemlich viele Leute – zumindest für norwegische Verhältnisse. Nur, dass dort fast niemand vor 09 Uhr startet, auch im Frühjahr nicht. Sogar am späten Nachmittag starten noch Leute am Parkplatz.
Wir drehen eine große Runde mit zwei Hauptgipfeln und mehreren Nebengipfeln. Mit dabei: Top Pulver, top Firn und einiges an verspurtem Gelände.
Exkurs: Gemütliche Tageserwärmung
Sehr auffällig in Norwegen ist der extrem flache Sonnenverlauf. Der Tag ist zwar im April schon sehr lang und es ist länger hell als bei uns, aber die Sonne steigt extrem langsam. Dadurch weicht der Schnee auch viel langsamer auf. Kaum jemand war Ende April trotz außergewöhnlich hoher Temperaturen früher als 9 Uhr unterwegs. Im Gespräch mit anderen Skitourengehern haben wir erfahren, dass sich die Norweger sehr wohl bewusst sind, dass das nur bei ihnen möglich ist, in den Alpen im Frühjahr an sonnigen Tagen mit warmer Luft andere Gesetzte herrschen und man früh starten und früh wieder daheim sein muss.
Die Tageserwärmung ist in Norwegen damit nicht annähernd so aggressiv wie bei uns und man bricht sogar meist nicht einmal in die Schneedecke ein, nicht einmal am späten Nachmittag. Dadurch sieht man auch nachmittags noch viele Leute auf eine Skitour im Gelände starten.
Exkurs: Menschliche Auffälligkeiten – Fehlender Dichtestress
Man merkt Tag für Tag, dass die Menschen dort nicht am Dichtestress wie in der Legebatterie Alpen leiden. Das fängt beim gemütlich ablaufenden Straßenverkehr an und hört bei vielen, anderen Dingen auf.
Exkurs: Menschliche Auffälligkeiten – Skitouren in kurzer Hose & Skitouren mit Langlaufski
Skitouren in kurzer Hose sind in Norwegen im Frühjahr üblich. Man sieht bei entsprechenden Temperaturen auf Schritt und Tritt Menschen auf Ski und nackten Beinen. Auf steileren Gipfeln trifft man sogar noch regelmäßig Personen die Skitouren mit Langlaufski unternehmen. Unter Tourengehen versteht man in Norwegen mit Langlaufski auf Hochplateaus, kleineren Hügeln und in weiten Tälern unterwegs zu sein. Gipfeltouren mit steileren Abschnitten sind unter „Topptur“ bekannt.
22.04. Galdhøpiggen, 2469m
Der letzte Schönwettertag. Wie beschließen, diese Woche mit einer Besteigung des höchsten Berges abzuschließen. Wir fahren wieder von Lom nach Spiterstulen, der gleiche Ausgangspunkt wie am Glittertind. Nur diesmal geht es auf die Osthänge des Tales rauf. Der Gipfel ist schnell erreicht und oben erwartet uns erstmals während unserer Reise unangenehmer Wind. Man merkt, dass das Hochdruckgebiet abrückt.
Wir treffen nur ein einheimisches, junges Paar am Gipfel und quatschen länger mit ihnen. Sie sind fasziniert von den steilen Bergen der Alpen und fragen mich, wo es mir nach dieser Woche denn besser gefallen würde. Ich muss eine Weile nachdenken. Rein aus Skitourensicht sind es aber klar die Alpen.
Die Abfahrt bietet guten, gesetzten Pulver und jungen Firn.
Am Nachmittag begeben wir uns auf eine längere Fahrt über die wunderbare Route 51 ins Hemsedal. Dort gibt es ein Skigebiet in der Größe von Kühtai und ideales Gelände für die letzten drei Tage mit schlechtem Wetter.
Exkurs: Friluftsliv – Skitouren und Langlaufen tief kulturell verankert
Auffällig in Norwegen ist auch die große Naturverbundenheit und die Sehnsucht nach einem einfachen Urlaub in einer kleinen Holzhütte am Land mit Selbstversorgung. Auch, wenn wir uns in den Alpen einbilden, dass wir die Wiege des Skilaufs sind – eigentlich ist es Norwegen. Skitourengehen, Langlaufen, einfach raus in die Natur und auf den Berg ist dort weniger eine Lifestyleerscheinung wie in den Alpen, sondern mehr ein Teil der kulturellen Identität – auch von Städtern.
23.04. – 25.04. Hemsedal
Das Wetter wird schlecht, es gibt täglich etwas Neuschnee. Wir machen ein paar kleine Touren rund um das Skigebiet von Hemsedal. Hemsedal hat großteils recht liebliches Gelände bis knapp über die Waldgrenze. Das Skigebiet ist in etwa so groß wie Kühtai.
Fazit
Norwegen ist das schönste Land, das ich je gesehen habe. In jeglicher Hinsicht – von der Natur wie von menschlichen Aspekten her. Es ist fast wie die Alpen – nur ohne Dichtestress wegen zu vieler Menschen. Wenn das Wetter nur öfter so schön wäre wie bei unserem Besuch und die Berge etwas steiler wären.
Abschließend gilt meiner großer Dank Kristian – der mit seiner Expertise um die Berge der Welt und insbesondere durch seine vielen Reisen durch Norwegen bereits einen top Überblick über die Möglichkeiten in unserer Region hatte und die vielleicht besten Touren für den jeweiligen Tag eruiert hat.
Ein großes Danke auch an Markus Landrø für die interessanten Diskussionen und die gemeinsame Skitouren!
Teil 3 – Kosten für eine Norwegen-Skitourenreise
Flug nach Oslo mit Lufthansa ab München im Frühjahr 2023 hin und retour ca. 300 – 450 Euro samt Skigepäck.
Mietautos sind günstiger als bei uns: 30 – 60 Euro pro Tag – zumindest im April (Nebensaison!).
Diesel – Benzin Extrem teuer! Ende April 2023 bei ca. 2,10 – 2,20 €
Lebensmittel: Etwa gleiches Niveau wie Österreich (aber nur wegen unserer übermäßigen, massiven Teuerung inzwischen.)
Übernachten: In den kleinen Miethütten ca. 600 – 1200 Norwegische Kronen pro Nacht, ohne Verpflegung. Das sind momentan (2023) etwa 55 – 110 Euro pro Nacht – für meist vier Betten samt Kochmöglichkeit, Bad, Dusche und Heizung.
Hotels, Gasthäuser, Pensionen fehlen meist – stattdessen Zelten, Camping, Ferienwohnungen und Miethütten auf Schritt und Tritt.
Typisches Essen: Ähnlich zu uns. Den karamellisierten Käse sollte man unbedingt probieren. Gutes Brot bekommt man schwer.
Wenn man nicht zu hohe Ansprüche hat und selbst kocht, kann man im gleichen Preisniveau wie in Österreich unterwegs sein.
Teil 4 – Nützliche Hilfsmittel für Skitouren in Norwegen
- Papier-Straßenkarte ;-)
- Für den Wetterbericht haben wir fast ausschließlich Meteoblue verwendet. Zwar wird der norwegische Wetterdienst yr.no immer empfohlen – aus der Erfahrung in Norwegen aber auch wenn man ihn in den Alpen verwendet, ist er immer deutlich pessimistischer und öfter falsch als Meteoblue.
- Varsom – Regobs App. Vollständiges Kartenmaterial für ganz Norwegen mit Hangneigungskarten.
- Norwegischer Lawinenwarndienst
- Ein top Skitourenführer für Jotunheimen, am besten sucht man für Führerliteratur nach „Topptur + Name des Gebietes/Gebirgsgruppe“ (= Gipfeltouren). Gebiete sind zum Beispiel: Sunnmöre, Jotunheimen, Dovrefjell, Hurrungane, …
- Gute Onlinekarte und öffentliches Rückmeldetool des Norwegischen LWDs
- Gute Seite mit Tourenbeschreibungen zu den 2000ern des Nordens
- Gedrucktes Kartenmaterial bestellen
- Notruf-App mit GPS-Standort-Abfrage. Äquivalent zu unserer SOS EU ALP. Unbedingt installieren!
Teil 5 – die besten Zitate aus unserer Reise
(c) KR
„Wenn du in einer Sache Profi werden willst, musst du dich auf etwas konzentrieren damit du es gscheid kannst. Wenn man mehr Spaß am Leben haben will, kann man alles, aber nix gscheid.“
(c) KR -während eines Telefonats in die Heimat:
„Das Wetter hier in Norwegen gönnt uns keine Pause und einen Ruhetag in Anspruch nehmen, wär reine Verhältnisverschwendung.“
Sehr sehr lesenswert! Vielen Dank für die ausführlichen Beschreibungen. Am besten gefällt mir dein X Spurenbild!!
Lukas, vielen Dank für den ausführlichen Bericht mit vielenTipps für meinen nächsten Norwegen-Trip.
Norwegen ist ein sehr sympathisches Land nach deinem informativen und unterhaltsamen Bericht. Danke dafür. Da kommt schon Lust auf, da mal auf Tour zu gehen, vor allen, wenn es dort so lässig zugeht. Die Möglichkeiten sind wohl endlos. Die Lawinengefahr ist wohl bei den Wetterbedingungen und den oft eher flachen Hängen nicht so dramatisch. Toll, dass ihr so viel Glück mit dem Wetter hattet.
Servus Lukas!
Gratulation zu den tollen Touren und Danke für den Bericht.
Dieser war sehr unterhaltsam und bei so manchem Hinweis auf Schnee und Wetter wurde ich zum Denken angeregt. Ein bisschen was habe ich auch gelernt.
Ich habe echt Lust bekommen, in dieser Ecke Norwegens auch mal meine Spuren in den Schnee zu zeichnen!
Griaß Stefan
Sehr cool, die Bilder! Ich war vom 13.-18.4. bei Orsta/Volda, am 17. hab ich die Lodalskappa vom Kjerringa aus gesehen. Davor eine Woche in Lyngenalps war auch hier die Devise – nur ja keinen Ruhetag in Anspruch nehmen. Das Wetter war viel zu gut dazu. Klettern und Paddeln am Meer am Abend waren dann noch das Sahnehäubchen dazu. Und dazu noch überhaupt keine Leute, unter der Woche ist man allein auf weiter Flur.
Der Jostedalsbreen ist für das nächste Mal schon auf der Liste.