Herbst 2023: Wenigstens Rot, aber noch kein Gold
In St. Sigmund gab es bis Anfang Oktober nur zwei Mal Bodenfrost. Und ein weiterer ist derzeit nicht in Sicht. Anfang Oktober haben die Lärchen selbst an der Waldgrenze keinen gelben Schimmer. Es wird wärmer und wärmer. Wir haben zwischen Mitte Mai und Anfang Oktober nur an zwei Tagen eingeheizt. Normalerweise muss im September auch bei Schönwetter schon an den meisten Tagen geheizt werden. In den Feldern wächst so viel nach, dass in Gries einige Flächen für einen dritten Schnitt genutzt werden. In St. Sigmund erfreut sich das Vieh an einer vielfach besseren Herbstweide als in früheren Jahren. Die Gletscher verschwinden – aber es gibt auch viele, viele Vorteile, zumindest bei uns. Und weil es nicht nur warm, sondern auch immer feucht war (zumindest bei uns), erfreuen wir uns auch an einer Granten- und Moschbeerenflut.
03.09.2023
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06.09.2023
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07.09.2023
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11.09.2023
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17.09.2023
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21.09.2023
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01.10.2023
Morgendiskussion: Ist es Saharastaub? – Nein, die ZAMG-Modellierung schließt das aus. Außerdem liegt Saharastaub nicht ausschließlich in tiefen Luftniveaus sondern ist mehr oder weniger gleichmäßig verteilt. Die obere Grenze war fast wie bei einer Inversion abgeschnitten bei etwa 2800 m. Außerdem war die Trübung stärker als bei den stärksten Saharastaubereignissen. Die Antwort: Waldbrandrauch aus Kanada.
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02.10.2023
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03.10.2023
Heuer gibt es noch keinen goldenen Herbst, nur einen Moschbeer-Roten. Das Wort „Moschbeer“ ist übrigens ein Paradebeispiel, wie in unserem Dialekt fast krampfhaft möglichst viele „sch“ eingebaut werden wollen. Moschbeeren sind das.
Gletscher-Supergau: Das letzte, schwarze Eis
Zwei schneearme Winter, zwei heiße Sommer: 2022 und 2023 haben den nächsten Schritt im Zerfall der Gletscher im Sellrain eingeläutet. Während im Schnitt der letzten Jahre immer 1 – 1,5 m Eis im Mittel über die gesamte Gletscherfläche abgeschmolzen sind (unterer Bereich meist über 3 m, oberer Bereich um einen halben Meter), waren es heuer und letztes Jahr im Schnitt über die gesamte Fläche um die 3 m. Also in etwa doppelt so viel. Das sind 2700 kg/m² Eis das pro Jahr abschmilzt. Das heißt, pro Quadratmeter Gletscherfläche rinnen in einem Sommer 2700 l Wasser ab das von Gletschereis stammt. Der Lüsener Ferner weist ca. 2.600.000 Quadratmeter auf. Das sind also gesamt etwa sieben Milliarden Liter Wasser die dadurch jeweils 2022 und 2023 aus Eis abgeschmolzen sind. Dazu kommt noch das Schmelzwasser vom Schnee des Winters und natürlich das Wasser vom aktuellen Regen…
Aja: Geltscherwasser kann man für nichts nutzen außer zur Erzeugung von Strom: Weder zum Trinken, noch zum Bewässern – wegen dem feinen Sand. Das ist ein recht hartnäckiges Märchen der Medien. Gletscher sind Süßwasserspeicher, aber keine Trinkwasserspeicher.
Ein gesunder Gletscher ist am Ende eines Sommers noch zu ca. 2/3 mit Schnee bedeckt. Das heißt, damit der Gletscher weder wächst noch schrumpft, also seine Masse gleich bleibt, dürfte nur maximal ein Drittel blankes Eis vor dem Einschneien im Herbst herausschauen. Und das über viele Jahre hintereinander. Dann schmilzt im schneefreien Bereich in etwa gleich viel Eis ab, als im schneebedeckten Bereich neu gebildet werden kann.
Im Sellrain waren die Gletscher von den 1960ern bis Mitte der 1980er in etwa in diesem Gleichgewicht. Der Lüsener Ferner wurde dabei nie großflächig schneefrei. In den 1980ern stieg die Schneegrenze in den Sommern immer weiter an – bis die Sellrainer Gletscher Anfang der 1990er erstmals fast vollständig schneefrei waren. Fast, denn am Lüsener Ferner beispielsweise blieben bis zum Sommer 2022 immer noch Mini-Akkumulationsgebiete übrig. Akkumulationsgebiete sind die dauerhaft schneebedeckten Bereiche wo sich frisches Eis bilden kann. Diese waren bis vor kurzem jeweils noch ein Streifen im schattigen Bereich zwischen Rinnennieder und Berglasspitze und zwischen Vorderem Hinterbergl und Brunnenkogelscharte sowie auf der Scharte der 3. Brunnenkogelrinne in einem stark vom Windverfrachtungen beeinflussten Bereich. Sowie im orographisch linken Gletscherarm Richtung Lüsener Spitze unterhalb deren Nordseite.
Im Sommer 2022 und auch im Sommer 2023 sind nun fast alle dieser Rest-Akkumulationsgebiete ausgeapert. Dort kommt dann das „frischeste“ Gletschereis zum Vorschein. Also Gletschereis, das sich erst in den letzten Jahre frisch bilden konnte. Dieses neue Eis unterscheidet sich von „altem“ Gletschereis dadurch, dass es viel dunkler und „schwärzer“ ist. Außerdem sieht man dort sehr schön die Jahrringe der Eisbildung. Damit ist nun auch der Lüsener Ferner ein Toteisfeld und kein lebender Gletscher mehr – er weist keine Neubildung von Eis mehr auf.
Dazu ein paar Gletschervergleiche
Trotzdem: Wir erfreuen uns der Gletscher im Sellrain, solange noch etwas übrig ist…
Oben habe ich „Zerfall“ und nicht „Rückgang“ der Gletscher geschrieben. Es handelt sich nun wirklich um den Zerfall…. Inzwischen tauchen auch immer mehr Moränen der verschiedenen Gletscherärme auf. Am Längentalferner und am Gleirscher Ferner kann man ausgezeichnet beobachten, wie die Mittelmoränen Jahr für Jahr weiter herausschauen. Aber auch am Lüsener Ferner dürften einige Schuttstreifen von langsam ausapernden Mittelmoränen stammen.