Damit hat Anfang März der wirkliche Teil des Tourenwinters begonnen. Durch anhaltendes Schönwetter bei ebenfalls anhaltend kühlen Temperaturen (vom 9.3. beginnend) hat der März seinem Namen als beste Zeit für Hochwinterskitouren wieder alle Ehre gemacht. Zuerst durch lässigen Pulver und gewaltige Runden:
Nach wenigen Tagen muss man im März natürlich bei kühlen Temperaturen auf schattige Touren ausweichen. Der Sonnenstand ist meist noch zu niedrig, um in Verbindung mit kalter Luft in wenigen Tagen guten Firn zu bilden. Dafür hält sich in schattigen Bereichen der Pulver noch sehr lange. Im April ist das dann nicht mehr der Fall. Nach zwei, drei Tagen mit Sonnenschein auf Neuschnee sucht man dann besser schon Firn als in tieferen Lagen irgendwo in nordseitigen Papphaufen stecken zu bleiben.
Am 17.3. habe ich den historisch behafteten Fotscher Express gemacht.
Die bodennahen Schwachschichten wurden weiterhin immer härter, die Verbindung zwischen den Kristallen nahm täglich zu (erkennbar an der Schichthärte und der Kornform „kantig abgerundet“):
Bei meinen Runden darf ich oft nicht nur Einsamkeit (an den am stärksten frequentierten Tagen der Saison!) sondern auch landschaftliche und Besonderheiten der Fauna beobachten:
In den Tagen der besagten, traumhaften Pulverrunden hat sich der oberflächliche Pulverschnee aufgrund der kühlen Temperatur, dem Schönwetter und den dadurch entstandenen Strahlungsnächten durch und duch aufbauend umgewandelt. Außerdem hat sich auf dem sich umwandelnden Pulverschnee Oberflächenreif gebildet. Dadurch war er noch lässiger zu fahren, weil er noch lockerer wurde und bei jedem Schwung hoch aufstaubt und durch den Oberflächenreif richtig zischt. Mit ein wenig Neuschnee und Wind am 25.3. musste man aber einige Tage in Schattenhängen besondere Vorsicht auf kleine Triebschneepakete legen, die mit einem Furz auslösbar waren, weil sie auf dem aufgebauten Zeug lagerten – wie am 26.3.
Leider war der Winter aber nach wie vor schneearm. Besonders gut zu sehen auf den großen Gletschern am Hauptkamm:
Durch das lang anhaltende, schöne Wetter zog sich die Schneegrenze südseitig bereits Ende März bis 2300m zurück.
Ende März habe ich zwei wirklich lässige Steilabfahrten bei traumhaften Bedingungen gemacht. Das sind genau die Tage, auf die man das ganze Jahr wartet:
Video von der zweiten Abfahrt:
Am 28.3. wurde im LLB zum letzten mal auf das Altschneeproblem hingewiesen. Von Anfang Jänner bis Ende März war der Altschnee im LLB vertreten. Von Mitte Jänner bis Ende Feber das bestimmende Element. Eine gefühlte Ewigkeit.
Bis zum 31.3. war die Temperatur nicht allzu hoch. Am 1.4. schließlich folgte die erste Hitzeperiode. Eine Woche lang herrschten sommerliche Bedingungen, die die spärliche Schneedecke in Verbindung mit feuchter Luft und bedeckten Nächten dahinraffen ließ. Die Feinstaubbelastung war durch Saharastaub extrem hoch, die Sichten kamen zwei Tage kaum über 25km hinaus.
Der 1.4.2016 war der letzte Tag, an dem ich die Ski vor der Haustür anziehen konnte. Zwei Wochen früher als normalerweise. In diesem Winter hatten wir in St. Sigmund Dorf (1500m) nur knapp über zwei Monate eine geschlossene Schneedecke – der Durchschnitt liegt bei knapp fünf Monaten!
Die Schneequalität änderte sich am ersten April innerhalb von 24 Stunden von „besten Frühjahrsbedingungen bei leichtem tageszeitlichen Gefahrenanstieg bei einem tragenden, griffigen Harschdeckel“ auf „Versumpfen bis Knie oder Hüftbereich bis in Höhenlagen von 2500m“.
… nach anschließender Abkühlung aber wieder gefolgt von sehr guten Firntagen mit ein paar super Abfahrten.
So schlimm bezüglich Schneemenge wie im April 2011 war es aber bei weitem nicht:
Von Mitte April bis Anfang Mai haben wir in mehreren Staffeln zwischen 1m und 1,50m Neuschnee in höheren Lagen bekommen, wobei die Schneefallgrenze immer auf skifreundlichem Niveau lag.
Da sich der Untergrund durch die Schönwettertage im März und die massive Erwärmung Anfang April mit anschließender Abkühlung sehr gut stabilisiert hat, stand weiteren, lässigen Abfahrten nichts mehr im Weg – im Gegenteil: immer wieder Neuschnee, gefolgt von Schönwettertagen, gefolgt von neuerlichem Niederschlag bei insgesamt recht kühlen Temperaturen bei mittlerweile stabilem Altschneeaufbau stellen das beste Rezept für gute Tourenverhältnisse dar.
Außerdem kann man sich nach dem ersten sonnigen Tag meist aussuchen, ob man lieber tief und südseitig Firn fährt oder lieber weiter oben schattseitig traumhaften Pulver erwischt. Ich wähle in diesen Fällen praktisch immer zweiteres.
Die Wärmeeinbruch Anfang April war – nonanet – von einer starken, südlichen Anströmung gekennzeichnet. Auch in der Schneedecke konnte man die Grüße aus der Sahara später erkennen:
Ende April wie besprochen: Neuschnee – Schönwetter – Neuschnee…
Am 30.4. habe ich bei perfekten Bedingungen eine der tollsten Abfahrten im Sellrain gemacht: Die Seeblas Nordflanke.
Die Wetterküche hat nach diesem Rezept bis zum 20. Mai gearbeitet. So hat der Winter mit Pulver, Firn und einem mittlerweile stabilen Altschneeaufbau und dadurch mit verhältnismäßig sehr vielen lässigen Abfahrten für die extrem heikle, schneearme, erste Winterhälfte entschädigt:
Die Schneefälle waren meist gestaffelt und die anschließende Erwärmung hielt nicht massiv innerhalb eines Tages einzug. Dadurch hielt sich auch die Lockerschneeproblematik (damit einhergehend die verknollten Flächen und deren vereiste Laufbahnen – die für Steilabfahrten im späten Frühjahr meist den limitierenden Faktor darstellen) in Grenzen.
Mitte Mai konnten Flo und ich mit dem Gran Paradiso und der Presanella zwei lässige Berge samt Abfahrten weiter südwestlich machen.
Am 21.5. schließlich mein Höhepunkt mit dem Lüsener Express. Die weiteste Tour, die ich bis jetzt mit Ski gemacht hab.
Ende Mai wurde in höheren Lagen die Maximalschneehöhe des Winters erreicht. Damit präsentieren sich auch extrem steile „Felsplattenberge“ in rein-weiß:
Am Zwieselbacher Gipfelhang sieht man schön, wie die Schneehöhe stetig zunimmt:
Am 26.5. setzte eine nachhaltige Erwärmung ein. Durch den vorgehenden Neuschnee in höheren Lagen, folgenden Regen und hohe Lufttemperatur waren Skitouren in der Abfahrt gekennzeichnet von „kaum fahrbar weil so stark bremsend aber immer noch besser als zu Fuß absteigen“. Lediglich auf tiefer gelegenen Pisten mit sommerfestem Altschnee ohne Neuschneeauflage fand man bis Anfang Juni passable Abfahrtsbedingungen.
Jetzt, am 5. Juni, befinden wir uns seit Tagen in einer gradientschwachen (ohne starke Druckgegensätze) klassischen Sommerwetterlage mit labil geschichteten Luftmassen. Wenigstens ist es so warm, dass es auch in den höchsten Lagen keinen Neuschnee mehr gibt, der die Verhältnisse jetzt nur mehr schlechter machen würde (feuchter Neuschnee bremst bekanntlich nur). Der (Dauer-) Regen hat den Schnee auch abseits von Pisten bis zumindest 2500m hinauf in kompakten Sommerfirn umgewandelt der zum Skifahren nach einer klaren Nacht sehr gut geeignet wäre. Das Zurückgehen der Schneedecke schreitet voran, allerdings nicht ganz so schnell wie bei sonnigen, warmheißen Tagen aufgrund der kaum vorhandenen Sublimation der Schneedecke an der Oberfläche durch die hohe Luftfeuchtigkeit.
Die Verbindung der Frühwinterschwachschichten wird durch den nun nachhaltigen Feuchtigkeitseintrag wieder geschwächt. Seit den letzten Maitagen sieht man vereinzelt oberhalb von 2500m in steilen Schattenhängen spontane Schneebretter. Wie hier unterhalb des Haidenkogels, aufgenommen am 4.6. (abgegangen am 28., 29. oder 30.5.):
In den letzten beiden Saisonen fand die Schwächung von bodennahen Schwachschichten und damit einhergehende, starke spontane Lawinenaktivität Anfang Mai statt. Wie hier am 10.5.2014 im Finstertal:
Eine erstmalige Schwächung der bodennahen Schwachschichten Ende Mai/Anfang Juni ist selten: Normalerweise hält eine mehrtägige Erwärmung irgendwann bis Mitte Mai Einzug. Heuer gab es nur eine „Hitzwelle“ Anfang April, die der Jahreszeit entsprechend noch zu „schwach“ war um das bodennahe Zeug anzusprechen. Darauf gab es großteils kühle Temperaturen mit wirklich viel Neuschnee von Mitte April bis Ende Mai, dazwischen zwar immer wieder sonnige, warme Tage – diese tragen allerdings nur zur Setzung und Durchfeuchtung des Neuschnees bei und können durch die kurze Dauer nicht zur Durchfeuchtung tieferer Schichten beitragen.
Der sportliche Winter liegt somit in seinen letzten Atemzügen. Die ein oder andere Radl-Skitour in hoch gelegene Schattenlöcher oder Gletscherskigebiete wird nach Wetterbesserung noch ein paar lässige Schwünge zulassen – bevor auch ich mich unserem ebenfalls schönen Bergsommer widme.
Die Moral von der Gschicht:
Winter erkennt man nicht am Kalender, Winter erkennt man mit dem Blick aus dem Fenster (oder in die Webcam). Die wahre Tourensaison ist und bleibt das Frühjahr, abgerechnet wird danach – nicht Mitte April. 2015/16 wird wechselhaft mit einer sehr bescheidenen ersten Hälfte aber im gesamten als ein außerordentlich toller Winter in Erinnerung bleiben. Bis in den März konnte man interessante (leider menschlich negativ behaftete) Vorgänge in der Schneedecke beobachten, sich damit beschäftigen. Danach folgte der sportlich interessante Teil mit Pulverträumen, lässigen Runden und steilen Abfahrten.