Rückblick November bis Feber hier.
Damit war die erste Winterhälfte in den Nördlichen Stubaier Alpen von ausgesprochen schlechten Tourenverhältnissen gekennzeichnet. Noch um einiges schlechter als in der ersten Winterhälfte 2015/16. Es war der dritte Winter in Folge, wo sich eine zusammenhängende Schneedecke in St. Sigmund erst im Jänner gebildet hat, nachdem die bereits vorhandene Schneedecke von Starkschneefällen im November wieder weggeregnet wurde oder abgetaut ist. Das Altschneeproblem hat sich wie 15/16 wochenlang gehalten, trotz mittlerweile geringen Temperaturgradienten in der Schneedecke. Das regt jedenfalls zum Denken an.
Dass es schon wärmer geworden ist, scheint ja nicht mehr umstritten zu sein. Dass es noch wärmer werden wird, gilt als wahrscheinlich – wenn auch als nicht seriös vorhersagbar. Die letzten drei Winter waren bei uns von einer Anhäufung von Regenereignissen bis über 2400m, sehr warmen Temperaturen in allen Höhenbereichen, ein stark verkürzten Schneebedeckungsdauer, vor allem unterhalb von 2000m und durch ausgeprägte Altschneeprobleme aufgrund des wechselhaften Wettercharakter im Frühwinter geprägt. Das „herbstliche Wetter“ dauerte länger: eben bis in den Jänner hinein. Trotzdem baut sich die Schneedecke nach und nach oberhalb von 2000m auf – verschwindet nicht wieder zur Gänze – und die Tourenbedingungen erreichen ab März ihren Höhepunkt – wie früher auch. Da Kühtai der höchstgelegene, ganzjährig befahrbare Pass Österreichs ist, kann man auf 2000m mit den Ski vom Auto starten und profitiert dabei noch von einer mittlerweile perfekt ausgebauten Kunstschneeanlage, der mehr als genug Wasser zur Verfügung steht. Im Sellrain müssen wir nicht wirklich schwarz sehen für den Wintersport – auch beim momentan stärksten Erwärmungsszenario bezüglich Klimaberechnungen – das liegt durch die Höhenlage und die Lage leicht nördlich des Hauptkammes auf der Hand (gemittelt gibt es immer mehr Nordwestlagen als andere schneebringenden Wetterlagen im Alpenraum). Es deutet darauf hin, dass die Winter weiterhin kürzer und schneeärmer werden aber bei uns trotzdem mehrere Monate als „Winter“ bezeichnet werden können. Im Gegensatz zu allen anderen Touren- oder Skigebieten im gesamten Alpenraum unterhalb von 2000m, wo es in den meisten Wintern vielleicht nur mehr für wenige Wochen weiße Kunstschneebänder (Neudeutsch „Technischer Schnee“) geben wird.
Zurück zum Winterrückblick:
Anfang März zum ersten mal wahres Winterfeeling: Mehrere Sturmereignisse inklusive starker Schneefälle. Die Antwort der, vor Schwachschichten strotzenden, Schneedecke war extrem ausgeprägte, spontane Lawinenaktivität. In zahlreichen, schattseitigen Hängen konnte man anschließend große Lawinen begutachten. Zurückkhaltung beim Befahren von steilen Hängen war das Gebot der Stunde:
Saharastaubeintrag gab es heuer nur einmal in ganz schwacher Ausprägung zu beobachten:
In steilen Südhängen war es bis Anfang Jänner aper und ich hab dort wo das Altschneeproblem keine Rolle gespielt hat, einzelne, steile Rinnen gemacht:
Am 15.3. bin ich endlich den Orient Express angegangen – bevor die Anstiege auf den Roten Kogel und das Hoadl ausapern sollten. Bei perfekten Bedingungen stellt diese Durchquerung ein Highlight des vergangenen Winters dar. Extralange Touren liegen mir zwar seit jeher, allerdings merke ich, dass mir durch das zunehmende Alter Touren dieser Art immer noch leichter fallen und ich mich danach immer noch fitter fühle.
Am 20.3. startet eine dreiwöchige Phase mit ausgesprochen hohen Temperaturen, Sonne pur und traumhaften Tourenverhältnissen. Somit musste man bereits Ende März im gesamten Sellraintal (ohne Kühtai natürlich) die Ski bereits ein wenig Tragen! Die Schneearmut ließ Steilabfahrten nicht wirklich zu: Weiter oben lag so wenig Schnee wie sonst im Frühwinter und weiter unten wie beim Ausapern im späten Frühjahr.
Am 21.3. war St. Sigmund – Dorf vollständig ausgeapert. Somit bot der Winter 2016/17 sowie 2015/16 nur etwa zweieinhalb Monate eine geschlossene Schneedecke auf unseren 1500m – wobei man normalerweise von vier bis fünf Monaten ausgehen kann.
Nach Abkühlung und eine wenig Neuschnee hat der April die tollen Tourenbedingungen des März fortgeführt:
Am 9.4. sind Basti, Hermann und ich mit hunderten anderen auf die Königsspitze über die Ostrinne. Der Tag hat uns wieder mal gezeigt, dass man lieber steile, unbekannte Sachen daheim macht als abgelutschte, bekannte Steiltouren woanders. Gedacht, getan:
Leider lag für weitere steile Abfahrten nach wie vor zu wenig Schnee und dauernd die gleichen Rinnen fahren wollte ich auch nicht. Drum die Karwendelreibn Mitte April:
Um den 19.4. endlich wieder ein Starkschneefall bei Nordstau: Bis zu ein Meter trockener, saukalter Pulver im Sellrain gefolgt von einigen Tagen Schönwetter zeigen wieder: Den besten Pulver fährt man seit jeher im Frühjahr.
Durch den verdammt kalten (-15° bis -20°C), lockeren Neuschnee auf der feuchten Altschneeoberfläche hat sich schnell eine neue, dünne Schwachschicht gebildet, die über zwei Wochen von Bedeutung war. In den letzten Apriltagen folgt nochmal ein halber Meter Neuschnee. Man konnte wieder von den Parkplätzen mit Ski starten und teils sogar ohne Steinkontakt wieder Abfahren.
Anfang Mai eine unbeständige und kühle Wetterlage bei wiederum Neuschnee. Wertige Tourentage gab es kaum, dafür hat sich die Schneedecke wieder in allen Höhenlagen auf ein fast durchschnittliches Niveau erholt.
Mitte Mai folgen die ersten Tage mit Tauwetter: Trockene Vormittage bei hoher Luftfeuchtigkeit, Regenschauer am Nachmittag sowie bedeckte und verregnete Nächte. Das Gift für die Schneedecke in allen Hinsichten: Schnelles Abtauen+ schlecht Skizufahren + erhöhte Lawinengefahr: Tourengehen – fast sinnlos.
Wer seine Tourenplanung im Frühjahr verbessern will, der sollte dies verstehen.
Am 17.5. habe ich das Zuckerhütl von Lüsens aus gemacht – gar nicht so weit wie man glauben würde.
Auch Ende Mai und Anfang Juni gab es durch gradientschwaches Wetter (geringe Druckgegensätze, typisch für den Sommer bei uns) und mit warmen, feuchte Luftmassen nur vereinzelt wertige Skitourentage. Das „fast durchschnittliche Niveau“ der Schneedecke durch die starken Schneefälle Ende April bringt allerdings auf längere Sicht mehr Nachteile: Erstens weist der Schnee, der erst wenige Tage oder Wochen alt ist, eine zu geringe Dichte auf um sich zu Sommerfirn zu verwandeln. Zweitens: wo er auf der Altschneedecke drauf liegt, herrschen bis zum vollständigen Abtauen dieses Schnees auf der Altschneedecke normale Frühjahrsbedingungen die zwingend eine Harschdeckelbildung voraussetzen um dem Skitourengehen Sinn zu geben, also nicht in Aufstieg wie Abfahrt zu versumpfen. Ohne Schneefälle im späten Frühjahr hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bis Anfang Juni die gesamte Schneedecke in Sommerfirn verwandelt. Dieser braucht kein oberflächliches Gefrieren & Verfestigen mehr um sich zum Skitourengehen gut zu eignen.
Im Juni wird es voraussichtlich noch die ein oder andere Skitour in Gletscherskigebieten (Stubai, Kaunertal, Hintertux, Stilfser Joch) geben – sofern die Schneeverhältnisse als passabel einzuschätzen sind.
Alles in allem war die Saison die dritte in Folge mit einer bescheidenen und schneearmen ersten Winterhälfte. Die zweite Hälfte kompensiert dies wie immer vollends. Nur bezüglich Steilabfahrten war es in unserer Gegend heuer sehr mau. Berichtet habe nicht nur ich über meine Touren. In mehreren Interviews wurden auch tiefere Hintergünde um meine Bergbetätigungen beleuchtet: Vom Alpenvereinsjahrbuch 2017 bis zum Bergzeit-Magazin durfte ich wieder einiges an Blabla loswerden. Eine Sammlung findet man unter Media.
Ebenfalls immer wieder interessant: Lässige Touren an bekannten Bergen die über 3.500m (besser: 4.000m) hoch sind, wecken Interesse. Lässige Touren an anderen Bergen kaum. Der „Fanclub“ der sich für Hintergründe und wissensbasierte Bergfahrten interessiert, bleibt verhältnismäßig winzig. Ich habe mich trotzdem bewusst gegen das sinnfreiePhilosophierenundüberzogeneGeschichtenerzählen, dem Selfie-, Bestzeiten und Schwierigkeitswahn im heutigen, medienpräsenten Bergsteigen entschieden. Warum? Bergaktivitäten sind einfach viel zu interessant und vielfälftig um sie als „Sport“ oder „Lifestyle“ zu sehen. Marathonlaufen z.B. ist Sport, Trailrunning und Fußball sind beides. Bergln ist kein Sport und weit mehr als Lifestyle.
Auf einen schönen Bergsommer!
Lukas